HOME
TYPLOKALITÄTEN
FUNDORTE
NAMEN
ENTDECKER
SACHSEN
THÜRINGEN
SACHSEN-ANHALT


Freibergit


Formel: Ag6(Cu4Fe2)Sb4S13-X, kubisch

Typlokalität: Freiberg, Erzgebirge, Sachsen

Erstbeschreibung:
WEISSENBACH, C.G.A. von (1831): Über die Gehalte der beim sächsischen Bergbau vorkommenden Silbererze.- Kalender für den Sächsischen Berg- und Hüttenmann, p. 233-248
     (als "Weißgiltigerz" bzw. "wahres Freyberger Weißgiltigerz")

Benennung:
KENNGOTT, G.A. (1853): Das Mohs´sche Mineralsystem, dem gegenwärtigen Standpunkte der Wissenschaft gemäss bearbeitet.- Wien, Carl Gerold & Sohn, 164 p. (p. 117)


       Was ist "Weissgiltigerz" ?

Auch wenn silberhaltiges Fahlerz zweifellos schon sehr zeitig die Aufmerksamkeit der Bergleute erweckte, ist das Mineral in alten Beschreibungen oft nicht eindeutig zu identifizieren, und auch heute ist nicht alles, was als Freibergit bezeichnet wird, tatsächlich dieses Mineral. Eine Unterscheidung zwischen einem silberhaltigen Tetraedrit, silberhaltigem Tennantit, echtem Freibergit in heutigem Sinn oder engen Verwachsungen verschiedener Minerale ist damals kaum möglich gewesen und kann auch heute nur mit analytischen Methoden erfolgen. Entsprechend verwirrend und widersprüchlich sind deshalb auch viele Angaben zu dem Mineral in der alten Literatur. Es ist auch offensichtlich, dass verschiedene Autoren etwas Unterschiedliches darunter verstanden haben.

Man kann vermuten, dass das Mineral bei Georg AGRICOLA (1546) unter dem "argentum rude album" (weißes Silbererz) mit gemeint ist. Er unterscheidet davon noch ein "argentum rude cineraceum", womit vermutlich silberhaltiges Fahlerz zu verstehen ist. Da AGRICOLA keine weiteren Beschreibungen gibt, lässt sich jedoch nichts näheres dazu sagen.

Johannes MATHESIUS erwähnt 1562 in der "Sarepta oder Bergpostill", eine Sammlung von 16 Predigten, die christliche Inhalte und moralische Ermahnungen mit praktischen mineralogischen, geologischen, bergmännischen und aufbereitungstechnischen Fragen verbanden, erstmals den Namen Weißgültigerz:
"Weyßguldig ertz sihet dem glantz ehnlich / vnnd weyl es spröd vnd spissig ist / lest es sich nicht schneyden"

In der Literatur des 16. bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts findet sich sonst nichts weiter zu dem Mineral, obwohl es den Bergleuten als Silbererz sicher gut bekannt war. Möglicherweise hat zu den spärlichen oder oft auch widersprüchlichen Angaben in der Literatur beigetragen, dass silberreiche Fahlerze oder enge Verwachsungen, die wie dieses aussahen, hauptsächlich im Freiberger Revier, dagegen in anderen europäischen Bergbauregionen nicht oder nur spärlich vorkamen. Die Kenntnis über dieses Material wird deshalb nicht überall verbreitet gewesen sein, so dass es sicher auch öfter zu Verwechselungen gekommen ist. Auch der Unterschied zwischen dem Weißgültigerz, worunter silberreiches Fahlerz oder z.T. andere silberreiche Erze verstanden wurden, und dem Weißerz, bei dem es sich um ein silberhaltiges Fahlerz handelt, ist deshalb wahrscheinlich auch nicht immer bekannt und die Abgrenzung nicht immer möglich gewesen.
Die Bezeichnungen "Weisgylden", "Weissgülden", "Weissgültigerz", "Weissgiltigerz" oder ähnliche Schreibweisen leiten sich nicht von einem angeblichen Goldgehalt in dem Material ab, sondern von "gültig" im Sinne von etwas wertvolles enthaltend.


       Das Weißgültigerz in den Mineralsammlungen

Bereits Ende des 17. Jahrhunderts findet sich das Weißgültigerz in Naturalienkabinetten und Mineralsammlungen. In dem anonym 1683 herausgegebenen, lateinisch-deutschen Katalog des Naturalien-, Kunst- und Büchersammlers Élie BRACKENHOFFER (1618-1682) aus Strasbourg im Elsass wird das Mineral auch mit dem deutschen Namen erwähnt:
"Minera argenti, coloris albi, weiß guldig Ertz / so am Silber reich."

Einige Exemplare hat der Hallenser Physik- und Mathematikprofessor Johann Jacob SPENER (ca. 1630 ? – 1692) zusammen getragen. Der nach seinem Tod durch Johann Martin MICHAELIS 1693 publizierte lateinisch-deutsche Katalog enthält "Weißgültig Ertz" unter anderem von den Gruben Gnade Gottes und Haus Sachsen bei Freiberg, der Grube St. Lorenz bei Halsbrücke sowie von Scharfenberg bei Meißen und weiteren Vorkommen. Bemerkenswert ist, dass unter den Silbererzen auch ein "Weiß-Ertz mit weißgültig vermengt von Freyberg" erwähnt wird.

Georg Gottfried RICHTER führt 1719 in dem Katalog seiner Mineralsammlung das Weißgültigerz von zahlreichen Fundorten auf. Die meisten liegen im Freiberger Revier, so die Gruben Himmelsfürst, Beschert Glück, Palmbaum, Beständige Freundschaft, 3 Eichen, Gnade Gottes, Susanne, Junger Moritz, Simon Bogners Werk, Sonnenbwirbel, St. Niclas, Ober Silberschnur, Tzscherper und Alter Moritz. Auch Ranitz bei Oederan, Johanngeorgenstadt und Böhmen werden als Vorkommen erwähnt.


       Erste wissenschaftliche Arbeiten

In einem Mineralsystem findet sich das Weißgültigerz erstmals 1740. Der schwedische Naturforscher Carl LINNÆUS, später als Carl von LINNÉ bekannt, führt es in der zweiten Auflage seines "Systema Naturæ" unter den Silbererzen:
" albidum, informe, fragile, ♀. Min. alba. Liusgylden."
Das Zeichen ♀ steht für Kupfer, für Silber. Der schwedische Name "Liusgylden" kann mit Licht- oder Weißgülden übersetzt werden. In der ersten Ausgabe des "Systema Naturæ" von 1735 fehlt das Mineral noch. Ein Fahlerz kennt LINNÆUS auch 1740 noch nicht, unter den Kupfermineralen findet sich kein Eintrag dazu.

Bereits 1743 findet das "Weißgültigerz" Eingang in das "Mineral- und Bergwercks-Lexicon" von MINEROPHILO FREIBERGENSI, hinter dem sich wahrscheinlich der Freiberger Lexikograph Johann Caspar ZEISIG verbirgt. Auch das Fahlerz und das Weißerz werden hier erklärt:
"Fahl-Ertz, ist ein graues, als weißgülden, dunckelers, zu 1 biß 2 Marck Silberhaltiges Kupffer-Ertz, so insgemein in der Halsbrückner- und Kröner-Refier bricht, nicht ohne gelbes Kupffer-Ertz. [...]
Weiß-Ertze, ist eine Art silberhaltiger Ertze, welche an der Halsbrücke allhier in weitläufftigen Gängen brechen und meistentheils in nassen Pochwercken gepocht und hernach über den Planen-Herde gewaschen werden; hält der Centner, wenn sie rein geschieden und gewaschen werden 2. bis 4. Marck Silber. [...]
Weiß-gülden Ertz, ist eine Art von guten und reichhaltigen Silber-Ertzen, welches meistentheils den dritten Theil Silber hält."
Der hier angegebene Silbergehalt von einem Drittel im Weißgültigerz entspricht exakt dem theoretischen Gehalt im Freibergit.

Der schwedische Chemiker und Mineraloge Johan Gottschalk WALLERIUS (1747, übersetzt von DENSO, 1750) kennt ein "Argentum sulphure, pauco arsenico et cupro mineralisatum, minera micante, alba. Minera argenti alba. Minera florenorum alba. Argentum rude album.". Davon unabhängig beschreibt er ein Fahlerz: "Cuprum arsenico ferro et argento mineralisatum, minera alba".
Carl LINNÆUS folgt 1748 den Angaben von WALLERIUS und beschreibt das Fahlerz und das Weißgütigerz als zwei verschiedene Minerale. Unter den Kupfermineralen findet sich:
"4. CUPRUM cinereum. ♀, , ♂, ☊   Fahlerz
[...]
a. Flavescens Weiss-ertz
b. Obscura Fahl-kupfer-ertz
c. Cinera Fahl-ertz."
Unter den Silbermineralen wird aufgelistet:
"5. ARGENTUM albidum informe fragile. weißgültig Erz.
[...] Locus: Germania.

Auch Axel Frederic VON CRONSTEDT trennt 1758 das "Weisgylden. Arg. Arsenico et Cupro sulphurat. mineralisatum. Minera argenti alba" vom silberhaltigen Fahlerz "Argentum cupro et Antimonio Sulphuratis mineralisatum". Davon wiederum unterscheidet CRONSTEDT das Weißerz, welches er als silberhaltigen Arsenikkies betrachtet: A. Ferro et Arsenico mineralisatum. Weißertz. Är en Silfwerhaltig Arsenikkies".

Eine Beschreibung des Weisßgültigerzes findet sich bei Johann Emanuel STEPHANI (1759), der Manuskripte und Vorlesungen des verstorbenen Chemikers Johann Friedrich HENCKEL herausgab:
"Weißgültiges Erz ist eigentlich ein licht- oder hellgraues Silbererz, so wenn es ganz rein und derb, 14 Mark Silber hält, dergleichen aufm Himmelsfürsten hinter Erbisdorf bekandt ist. Hiernächst besteht es aus etwas Kupfer, Arsenic und Schwefel, davon man aber die Proportion sehr schwerlich finden kann.
Zu Bräunsdorf auf der Neuen Hoffnung Gottes bricht eine Art, welche weisser, als dieses angezeigete ist, und einem Mißpickel gleichet, auch nächst dem Silber aus Arsenic und Eisen bestehet, so man allda weißgültiges, oder auch weiß Erz zu nennen pfleget, und 4 Loth Silber hält. An der Halsbrücke redet man von weiß- und schwarzem Erz, ist aber allemal ein Fahlerz ..."

In den folgenden mehr als drei Jahrzehnten wird den Kenntnissen zum Weißgültigerz nichts hinzugefügt, nur die Einordnung ändert sich von Autor zu Autor. So betrachtet der französische Mineraloge Jean-Baptiste Louis ROMÉ DE L'ISLE 1783 alle Fahlerze, darunter rechnet er auch das Weißgültigerz, nur als ein Mineral "Mine de cuivre grise tenant argent, fahlertz: mine d'argent grise". Dagen stellen z.B. Abraham Gottlob WERNER und Christian August Siegfried HOFFMANN (1789) in dem "Mineralsystem" das "Weisgiltigerz" und das "Fahlerz" an verschiedene Positionen.


       Chemische Analysen

Eine erste quantitative chemische Analyse von "Weissgiltigerz" führte Martin Heinrich KLAPROTH (1795) durch. Er unterschied dabei noch lichtes und dunkles Weissgiltigerz, ersteres ist silberreich, letzteres deutlich silberärmer. Für das lichte Weissgiltigerz von der Grube Himmelsfürst, Brand-Erbisdorf bei Freiberg, fand er Ag 22.00, Fe 2.42, Pb 51.81, Sb 8.50, S 13.21, Summe 97.94 % (+ etwas Gangart), für das dunkle Weissgültigerz von der Grube Junger Himmelsfürst gibt er Ag 9.41, Fe 1.79, Pb 41.73, Sb 21.88, S 22.39, Summe 97.20 % (+ etwas Gangart) an. Wie aus den etwa 40 - 50 % Blei in den Analysen ersichtlich, hat KLAPROTH offenbar ein Gemenge vorgelegen. Auffallend ist auch das Fehlen von Cu in den Analysen.

Im Jahr 1826 fanden sich im Freiberger Revier gut ausgebildete Kristalle eines sehr silberreichen Fahlerzes (Anonymus, 1828):
"Durch vorgekommene sehr deutliche und vollständige Krystalle hat sich erwiesen, daß das auf dem Ludwiger Spate bey Churprinz Friedrich August Erbstolln brechende silberhaltige stahlgraue Erz, welches - als das frequenteste Erz der Grube - zeither schlechthin "Fahlerz" genannt worden ist, ausgemacht zwey verschiedenen Gattungen angehört, davon die eine von sehr niedrigem Silbergehalte und etwas lichter Farbe, in breiten vierseitigen Säulen mit verschiedenen Veränderungen krystallisirt, und dem sogenannten Spiesglanzbleyerze vom Pfaffenberge am Harze gleicht, die andere aber, mit zum Theil sehr hohem Silbergehalte und dunklerer Farbe, in Tetraedern und dergleichen krystallisirt und wirkliches Fahlerz ist; und daß ferner auch das unter dem Namen "Weißgültigerz" bekannte, viel (nach einer docimastischen Probe auf 26 Procent) Silber haltende Erz von Habacht Fdgr., mineralogisch betrachtet, sehr ausgezeichnet der Gattung des Fahlerzes angehört."
Die Kristalle Von letztgenanntem Vorkommen, der Hab Acht Fundgrube (später zu Beschert Glück gehörig) in Zug bei Freiberg, werden von "Bleiglanz, Kupferkies, Rothgülden, Braunspath, Manganspath, Blende, Quarz" begleitet. Heinrich ROSE (1829) führte eine Analyse dieses Minerals durch (siehe Tabelle unten). Sie unterscheidet sich deutlich von der Analyse durch KLAPROTH und stimmt statt dessen sehr gut mit der theoretischen Zusammensetzung von Freibergit überein. Seine Analyse ist offenbar die erste, die dem Mineral eindeutig zuzuordnen ist. ROSE betrachtet das silberreiche Fahlerz jedoch nicht als eine eigene Mineralart:
"Fahlerz. Diese Species bildet so zahlreiche Varietäten, welche in der chemischen Zusammensetzung so merklich voneinander abweichen, dass, wenn sie nicht alle dieselbe Krystallform hätten, man sie nicht für eine Species gehalten haben würde."
Mit Hilfe seiner Analysenergebnisse stellte ROSE Überlegungen zur Isomorphie der Fahlerze an:
"Der Eisengehalt vermehrt sich, wenn der Zinkgehalt sich vermindert, und umgekehrt; hieraus folgt, dass Zink und Eisen auf derselben Schwefelungsstufe in den Fahlerzen enthalten sind, und dass sich Schwefelzink und Schwefeleisen in ihnen eben so vertauschen können, wie Schwefelantimon und Schwefelarsenik. Man sieht ferner, dass, wenn der Silbergehalt in den Fahlerzen sich vermehrt, sich in demselben Maasse der Kupfergehalt vermindert."
ROSE ging davon aus, dass das Silber das Kupfer in den Fahlerzen vertritt. Die von ihm aufgestellte allgemeine Formel für die Fahlerze kommt der heutigen recht nahe.


       Das silberreiche Freiberger Weißgiltigerz ist ein eigenständiges Mineral

Das von Heinrich ROSE (1829) analysierte silberreiche Fahlerz bezeichnete erstmals der Freiberger Bergmeister Carl Gustav Adelbert VON WEISSENBACH (1831) als ein eigenständiges Mineral.
"Weißgiltigerz. (Silberreicher Fahlglanz, Breithaupt) Eins der gewöhnlicheren Silbererze in Freyberger Revier. Früher und bevor man von ihm reine Krystalle kennen lernte, wurde häufig auch dichte und homogen aussehende Gemenge von Federerz, Bleyglanz, dichtem Grauspießglaserz, Weißgiltigerz, Fahlerz, Glaserz und Melanglanz damit verwechselt und für eigentliches Weißgiltigerz genommen. Von einem dergleichen, vermuthlich großentheils aus dichtem Federerz mit Bleyschweif und Melanglanz bestehenden Gemenge von bleygrauer Farbe und ebenem Bruch ohne Spur von Krystallinität, welches auf einigen Gängen der Bränder Revierabtheilung bey Freyberg vorgekommen ist, scheinen die Klaprothschen Analysen gemacht zu seyn [...]. Wie dieses Erz aber schon im Aeußeren und in der Schwere vom Wahren Weißgiltigerz abweicht, so beweisen noch mehr die Klaprothschen beyden Analysen selbst, und namentlich die äußerst verschiedenen Antimon- und Schwefelgehalte, daß sie keiner selbstständigen Mineralverbindung zugehören können. Daß aber das wahre und eigentliche Freyberger Weißgiltigerz allerdings einer selbstständigen Mineralgattung angehöre, haben die seit einigen Jahren, besonders auf Habacht Fdgr. davon vorgekommenen sehr schönen und vollkommenen Krystalle bewiesen, die ich auch auf mehreren Freyberger Gruben wiederfand. Die eigentlichen Tetraederflächen habe ich an keinem derselben gesehen; die Krystalle von Habacht zeigen vorzugsweise die Rhombendodekaederflächen, aber auch die des tetraedrischpyramidalen Dodekaeders, des tetraedrisch trapezflächigen Dodekaeders, und des Hexaeders, die übrigen mir bekannten Abänderungen bloß die des tetraedrisch-pyramidalen Dodekaeders. Das Weißgiltigerz hat eine Mittelfarbe zwischen Bley- und Lichtstahlgrau, ist das weichste, mildeste, schwerste (specifische Gewicht = 4,8 bis 5,1) und silberreichste unter den Fahlglänzen und hat stets graulichschwarzen Strich."
Im weiteren Text führt VON WEISSENBACH noch die Analyse von ROSE auf sowie einige Teilanalysen von Proben aus der Neue Hoffnung Gottes Fundgrube in Bräunsdorf bei Freiberg, vom Erzengel Michael Erbstollen in Mohorn bei Freiberg sowie von Alt Woischitz in Böhmen. Der Silbergehalt in allen Proben lag zwischen 29,43 und 32,69 %.
Da VON WEISSENBACH als Erster das Mineral als eine eigenständige Spezies unter den Fahlerzen bezeichnete sowie Analysen, Eigenschaften und Kristallformen angab, kann er als der eigentliche Erstbeschreiber betrachtet werden.

Carl Friedrich RAMMELSBERG veröffentlichte 1845 eine Analyse von einem lichten Weissgiltigerz von der Grube Alte Hoffnung Gottes, Kleinvoigtsberg bei Freiberg: Ag 5.78, Fe 3.83, Zn 6.79, Pb 38.36, Cu 0.32, Sb 22.39, S 22.53, Summe 100.00 %. Die Analyse unterscheidet sich deutlich von der KLAPROTHs, zeigt aber auch wie diese einen sehr hohen Bleigehalt. RAMMELSBERG hält das von ihm untersuchte Material für homogen, hat aber offenbar wie KLAPROTH ein Gemenge untersucht.


       Silberfahlerz, Polytelit, Freibergit

Bereits Johann Carl FREIESLEBEN schrieb 1817 zum "Schwarzgültigerz, Fahlerz, Weißgiltigerz und Sprödglaserz", dass hier "bey den ältern Schriftstellern eine ungemeine Verwirrung zwischen diesen Benennungen herrschte". Daran sollte sich auch in den folgenden Jahrzehnten wenig ändern.
Johann Friedrich Ludwig HAUSMANN (1847) bezeichnet das Weissgiltigerz als Silberfahlerz. Im gleichen Jahr wählte Ernst Friedrich GLOCKER (1847) für das "Lichte Weissgültigerz" den Gattungsnamen Polytelit nach griechisch politelos = kostspielig, nach dem Silbergehalt. Als Bezeichnung für die Spezies wählt er "Polytelites Fribergensis, Freibergischer Polytelit" und führt hier die Analyse von RAMMELSBERG auf. GLOCKER beschreibt das Mineral getrennt von den Fahlerzen in der Verwandschaft von Plagionit und Dufrenoysit. Eigene Untersuchungen an dem Material stellte er nicht an.

Das Silberfahlerz benannte Gustav Adolf KENNGOTT (1853) schließlich Freibergit nach dem Hauptfundort. Seine Angaben zu dem Mineral sind jedoch sehr spärlich:
"Freibergit, Kenngott 4Ag, Cu2S. Sb2S3.
H. 179 Silberfahlerz. N. 414 Weissgiltigerz. BM. 205 Fahlerz."
Eigene Untersuchungen an dem Mineral führte KENNGOTT offenbar nicht durch. Er folgt hier der Auffassung von C.G.A. VON WEISSENBACH und definiert es als eigene Spezies unter den Fahlerzen und gibt erstmal eine Formel an.

Franz VON KOBELL übertrug 1853 den GLOCKERschen Namen Polytelit für das "Lichte Weissgültigerz" auch auf das Silberfahlerz, obwohl aus den dortigen Angaben hervorgeht, dass GLOCKER kein Fahlerz damit meinte. Albin WEISBACH wählte 1875 den Namen Leukargyrit für das Mineral. Durchgesetzt hat sich schließlich der Name Freibergit.

August FRENZEL (1874) schreibt zum Polytelit:
"Polytelit, Glocker. Weissgiltigerz, Werner. [...] Das lichte Weissgiltigerz ist vielleicht nur ein Gemenge von Bleiglanz, Federerz und Melanglanz".
Unter "Federerz" sind Jamesonit und ähnliche Minerale zu verstehen, und Melanglanz ist Stephanit. Das Material hat damit nichts mit einem Fahlerz zu tun. An anderer Stelle schreibt FRENZEL dagegen:
"Weissgiltigerz. Silberfahlerz, Hausmann. Von Kenngott Freibergit benannt. [...] Das Weissgiltigerz findet sich auf Gängen der edlen Bleiformation [...] Zu Freiberg bei Beschert Glück [...], bei Alter grüner Zweig kleine Krystallgruppen [...], Himmelsfürst derb, mit Polytelit; Herzog August; Gelobt Land; Reicher Bergsegen; Neue Hoffnung Gottes, krystallisirt in 202, mit Quarz, Miargyrit und Antimonsilberblende; Erzengel Michael zu Mohorn. [...] Das Weissgiltigerz wird nur von Zeit zu Zeit in geringen Mengen gefunden."


       Die Struktur von Fahlerz

Die Kristallstruktur des Fahlerze wurden durch PAULING & NEUMANN (1934), WUENSCH (1966) u.a. bestimmt. Danach leitet sich die Struktur von der von Sphalerit ab. Ausgehend von der Sphalerit-Zelle wird der Gitterparameter a verdoppelt, dadurch ergibt sich zunächst ein Zellinhalt von 32 Metall- und 32 Schwefel-Positionen. Von den Schwefel-Positionen sind 1/4 nicht besetzt, außerdem sind noch 2 zusätzliche Schwefelpositionen vorhanden, so dass sich insgesammt ein Zellinhalt von 26 S ergibt. Ein Viertel der Metall-Positionen sind mit Sb, As oder selten Bi besetzt und mit 3 Schwefelpositionen koordiniert. Die anderen Metallatome befinden sich je zur Hälfte in Vierer- und Dreier-Koordination. Erstere Position wird von einwertigem Cu (und seltener Hg) besetzt, letztere von einwertigem Cu, Ag und zweiwertigem Fe, Zn, Cd.
Je nachdem, ob ein Autor die Metallkationen zusammenfasst bzw. die unterschiedlich koordinierten Positionen oder die unterschiedlichen Wertigkeiten als entscheidend ansieht, finden sich dann auch unterschiedliche Formeln für Fahlerze in der Literatur und z.T. unterschiedlich definierte Minerale:
       Me12X4S13.
   Me = Cu, Ag, Hg, Fe, Zn, Cd
   X = Sb, As, Bi, Te
   S = S, Se
 
       Me[4]Me[3]6X4S13.
   Me[4] = Cu, Hg
   Me[3] = Cu, Ag, Fe, Zn, Cd
   X = Sb, As, Bi, Te
   S = S, Se
       Me+10Me2+2X4S13.
   Me+ = Cu, Ag, Hg
   Me2+ = Fe, Zn, Cd
   X = Sb, As, Bi, Te
   S = S, Se

Mit der Struktur von Freibergit haben sich speziell KALBSKOPF (1972) sowie PETERSON & MILLER (1986) beschäftigt. Das Mineral weist wie alle Fahlerze die Raumgruppe I-43m auf. Für die Elementarzelle lässt sich a = 10.610 Å angeben.


       Die Definition von Freibergit

Freibergit galt jedoch auch bis in die jüngere Zeit nicht allgemein als ein eigenständiges Mineral. FLEISCHER et al. (1975) schreiben in einem Abstract zu einer Veröffentlichung von RILEY (1974):
"Freibergite has generally been considered to be an argentian tetrahedrite, (Cu,Ag,Zn,Fe)12(Sb,As)4S13. In this paper, microprobe analyses and unit cell determinations are given of 21 samples from Mt. Isa, Australia, 9 of which have Ag > Cu. [...] Freibergite is therefore not a variety, but a species of the tetrahedrite group, with Ag > Cu."
STRUNZ (1978) führt Freibergit noch als Varietät von Tetraedrit.
In der von der IMA herausgegebenen Liste der Minerale (zusammengestellt von Marco PASERO, Stand Februar 2015) wird Freibergit als "Grandfathered" geführt und die Formel Ag6(Cu4Fe2)Sb4S13-X angegeben. Diese Formel berücksichtigt die unterschiedlich koordinierten Gitterpositionen. Ein Gehalt an Ag > (Cu+Fe) (in Atom-%) ist hier nicht erforderlich, das Silber muss lediglich auf der einen Position dominant sein.



Chemische Analysen von Freibergit (in Masse-%)

    "Weissgiltig"   
  Hab Acht Fundgrube,   
  Zug bei Freiberg,
  (H. ROSE, 1829)
  Freibergit,
  theoretische
  Zusammensetzung    
  Ag   31.29   33.49
  Cu   14.81   19.73
  Fe     5.98  
  Zn     0.99  
  Sb   24.63   25.20
  S   21.17   21.58
  Summe       98.87 100.00



Literatur:
AGRICOLA, G. (1546): De natura fossilium, Libri X.- Basel, bei Hieronymus Froben

Anonymus (1683): Mvsævm Brackenhofferianvm, Das ist/ Ordentliche Beschreibung Aller/ so wohl natürlicher als kunstreicher Sachen/ Welche sich in Weyland Hrn. Eliae Brackenhoffers/ gewesenen Dreyzehners bey hiesiger Statt Straßburg/ Hinterlassenem Cabinet befinden.- Straszburg, Gedruckt vnd verlegt durch Johann Welpern, 160 p. (p. 52)

Anonymus (1828): Mineralogische neue Erfahrungen und Vorkommnisse beym Bergbau im Jahre 1826.- Kalender für den Sächsischen Berg- und Hüttenmann auf das Jahr 1828, 139-140

CRONSTEDT, A.F. VON [das Buch ist ohne Verfasserangabe erschienen] (1758): Försök til Mineralogie eller Mineral Rikets Upställning.- Stockholm, Stockholm, Wildiska Tryckeriet, 251 p. (p. 156-157)

FLEISCHER, M.; CHAO, G.Y. & KATO, A. (1975): New mineral names.- American Mineralogist 60, 485-489

FREIESLEBEN, J.C. (1817): Beschreibung einiger in meiner Mineraliensammlung befindlichen merkwürdigen sächsischen Fossilien, nebst historischen und geognostischen Bemerkungen über dieselben. Schilf-Glaserz.- Geognostische Arbeiten 6, Beyträge zur Mineralogischen Kenntniß von Sachsen, zweyte Lieferung, 97-101

FRENZEL, A. (1874): Mineralogisches Lexicon für das Königreich Sachsen.- Leipzig, Verlag von Wilh. Engelmann, p. 238-239 und 317-318

GLOCKER, E.F. (1847): Generum et Specierum Mineralium Secundum Ordines Naturales digestorum Synopsis.- Halle, bei Eduard Anton, 347 p. (p. 31)

HAUSMANN, J.F.L. (1847): Handbuch der Mineralogie, 2. Auflage, 3 Bände (1828-1847), p. 179

KALBSKOPF, R. (1972): Strukturverfeinerung des Freibergits.- Tschermaks Mineralogische und Petrografische Mitteilungen 18, 147-155

KENNGOTT, G.A. (1853): Das Mohs´sche Mineralsystem, dem gegenwärtigen Standpunkte der Wissenschaft gemäss bearbeitet.- Wien, Carl Gerold & Sohn, 164 p. (p. 117)

KLAPROTH, M.H. (1795): Untersuchung der Silbererze. 5. Abschnitt. Weissgültigerz.- Beiträge zur chemischen Kenntniss der Mineralkörper, 1. Band, 166-177

KOBELL, F. von (1853) Taf. Best., p. 10 (zit. in HINTZE, 1904)

LINNÆUS, C. (1740): Systema Naturæ in quo Naturæ Regna Tria, Secundum. Classes, Ordines, Genera, Species, Systematice Proponuntur.- Editio Secunda, Stockholmiæ, Gottfr. Kiesewetteri, 80 p. (p. 8)

LINNÆUS, C. (1748): Systema Naturæ sistens regna tria naturæ, in classes et ordines, genera et species, redacta tabulisque æneis illustrata.- Lipsiæ, Godofr. Kiesewetteri, p. 178 und 183

MATHESIUS, J. (1562): Sarepta oder Bergpostill sampt der Joachimßthalischen kurtzen Chroniken.- Gedruckt zu Nürnberg, durch Johann vom Berg und Ulrich Newber, 233 p. (p. 40a)

MICHAELIS, J.M. (1693): Museum Spenerianum sive Catalogus Rerum … / Das Spenerische Kabinet Oder Kurtze Beschreibung Aller Sowol künstlich als natürlicher / alter / als neuer / fremder als einheimischer curiösen Sachen / Welche Herr Johann Jacob Spener Seel. Phys. & Math. P.P. auf der Academie zu Halle mit unermüdetem Fleiß colligiret.- Leipzig, gedruckt bei Christoph Fleischer, 222 p. (p. 135-144)

MINEROPHILO FREIBERGENSI (1743): Neues und wohleingerichtetes Mineral- und Bergwercks-Lexicon.- Chemnitz, bei Johann Christoph und Johann David Stößeln, 2. Auflage, 621 p. (p. 198 und 598)

NICKEL, E.H. & NICHOLS, M.C. (2007): IMA/CNMNC List of Mineral Names, http://www.geo.vu.nl/users/ima-cnmmn/MINERALlist.pdf

PASERO, M. (Editor) (2015): The New IMA List of Minerals.- http://nrmima.nrm.se/ (Stand Februar 2015)

PAULING, L. & NEUMANN, E.W. (1934): The crystal structure of binnite.- Zeitschrift für Kristallographie 88, 54-62

PETERSON, R.C. & MILLER, I. (1986): Crystal structure and cation distribution in freibergite and tetrahedrite.- Mineralogical Magazine 50, 717-721

RAMMELSBERG, C.F. (1845): Zweites Supplement zu dem Handwörterbuch des Chemischen Theils der Mineralogie.- Berlin, Verlag von C.G. Lüderitz, 180 p. (p. 170-171)

RICHTER, G.G. [erschienen unter dem Kürzel G.G.R.] (1719): Gazophylacium sive Catalogus Rerum Mineralium et Metallicarum ut et tam domesticorum qvam exoticorum, varia rudera urbium fructicum, qvo præsentantium una cum qvibusdam petrifactis, et lapidibus, ad regnum minerale spectantibus, qvas summa industria et labore collegit / Mineralien-Cabinet Oder Beschreibung der fürnehmsten Ertze / darunter / viele in Sachsen befindlich / wie auch andere Ausländische / ingleichen unterschiedene in Stein verwandelte Sachen, Welche Mit großer Mühe / Fleiß / und Unkosten / zusammen getragen.- Freiberg, 58 p. (p. 8-18)

RILEY, J.F. (1974): The tetrahedrite-freibergite series, with reference to the Mount Isa Pb-Zn-Ag orebody.- Mineralium Deposita 9, 117-124

ROMÉ DE L'ISLE, J.B.L. (1783): Cristallographie, ou Description des formes propres à tous les corps du Regne mineral.- Paris, De l'Imprimerie de Monsieur, Vol. 3, 611 p. (p. 315)

ROSE, H. (1829): Ueber die in der Natur vorkommenden nicht oxydirten Verbindungen des Antimons und des Arseniks.- Poggendorffs Annalen der Physik und Chemie 91 (bzw. 15), 573-591

STEPHANI, J.E. (1759): HENCKELIVS in MINERALOGIA REDIVIVVS Das ist Hencklischer aufrichtig und gründlicher Unterricht von der MINERALOGIE oder Wissenschaft Von Wassern, Erdsäften, Salzen Erden, Steinen und Erden Nebst angefügtem Unterrichte von der CHYMIA METTALLVRGICA wie selbigen der wohlselige Herr Bergrath, Johann Friedrich Henckel, sowohl seinen in der Mineralogie und Chymie gehabten Scholaren discursive ertheilet, als auch der Nachwelt zum Dienst in Manuscripto hinterlassen, Zum unsterblichen Andenken ediret, auf neue übersehen, und mit einigen nach denen vorgefundenen Bergarten gemachten Anmerkungen hin und wieder vermehret von einem dem Hencklischen Hause ergebensten In Erübrigten Stunden.- Dreßden, bey Johann Nicolaus Gerlach, 344 p. (p. 59)

STRUNZ, H. (1978): Mineralogische Tabellen.- Leipzig, Akademische Verlagsgesellschaft Geest & Portig

WALLERIUS, J.G. (1747): Mineralogia, eller Mineralriket, indelt och beskrifvit af Johan Gotschalck Wallerius.- Stockholm, bei Lars Salvii

WALLERIUS, J.G. [übersetzt von DENSO, J.D.] (1750): Joh. Gottschalk Wallerius, Mineralogie Oder Mineralreich, von Ihm eingeteilt und beschrieben.- Berlin, Verlegts Christoph Gottlieb Nicolai, 600 p.

WEISBACH, A. (1875): Synopsis Mineralogica. Systematische Übersicht des Mineralreiches.- Freiberg, J.G. Engelhardtsche Buchhandlung, p. 62

WEISSENBACH, C.G.A. von (1831): Über die Gehalte der beim sächsischen Bergbau vorkommenden Silbererze.- Kalender für den Sächsischen Berg- und Hüttenmann auf das Jahr 1831, p. 233-248

WERNER, A.G. & HOFFMANN, C.A.S. (1789): Mineralsystem des Herrn Inspektor Werners mit dessen Erlaubnis herausgegeben von C.A.S. Hoffmann.- Bergmännisches Journal 2, Band 1, 369-398

WUENSCH, B.J. (1964): The crystal structure of tetrahedrite, Cu12Sb4S13.- Zeitschrift für Kristallographie 119, 437-453






© Thomas Witzke / Stollentroll

HOME
TYPLOKALITÄTEN
FUNDORTE
NAMEN
ENTDECKER
SACHSEN
THÜRINGEN
SACHSEN-ANHALT