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Pitticit


Formel: wasserhaltiges Fe-Arsenat-Sulfat, amorph

Typlokalität: Grube Christbescherung, Großvoigtsberg bei Freiberg, Erzgebirge, Sachsen

Erstbeschreibung:
KARSTEN, D.L.G. & KLAPROTH, H.M. (1808): Untersuchung des Eisenpecherzes, von der Christbescherung unweit Freiberg.- Der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin Magazin für die neuesten Entdeckungen in der gesammten Naturkunde III, 191-194
     (als "Eisenpecherz")

erste Erwähnung:
SCHULZE, S. (1765): Einige Beyträge zur sächßischen Naturhistorie.- Dresdnisches Magazin, oder Ausarbeitungen und Nachrichten zum Behuf der Naturlehre, der Arzneykunst, der Sitten und der schönen Wissenschaften. Zweyter Band, 458-471 (speziell p. 465-466)
     (ausführliche Beschreibung, aber verkannt)

Benennung:
HAUSMANN, J.F.L. (1813): Handbuch der Mineralogie.- Göttingen, 1. Band, S. 285-286
     (als "Pitticit")




Pitticit. Grube Christbescherung, Großvoigtsberg bei Freiberg, Erzgebirge, Sachsen. Bildbreite 4 mm. Sammlung und Foto Thomas Witzke.


 
         1765 beschrieben, aber als Zinkblende verkannt

Bereits 1765 berichtet S. SCHULZE recht ausführlich über ein bei Großvoigtsberg im Freiberger Revier zehn Jahre zuvor gefundenes Mineral:
"Unter den Zechen, welche zu Großvoygtsberg, einem ohnweit Nossen befindlichen Dorfe, gebaut werden, und die in das freybergische Bergamtsrevir gehören, hat sich die so genannte alte Hoffnung GOttes, wegen der reichen Anbrüche, für den übrigen bekannt gemacht.
Auf dieser Zeche wurde im Quartal Reminiscere 1755. und zwar in 17 Farthen Teufe, eine gewisse Erzart erbrochen, welche allen daselbst arbeitenden Bergleuten unbekannt war, und von welchen so gar die Kenner der Mineralien, beym ersten Ansehen, ungewiß waren, zu was vor einer Art von Erzen man eigentlich diese neuen Anbrüche zu rechnen habe.
Dieses Erz legte sich in die Klüfte des Ganges und des Gebürges, insonderheit aber in eine sandigt, qvarzichte und eisenschüßige Gangart, so hin und wieder mit einem körnichten Schwefelkiese durchsprenget war, ein. Dem äuserlichen Ansehen nach kam es einem braunen, feinem Peche sehr gleich, daher es schien, als ob dergleichen Klüfte, hin und wieder, mit einem solchen Peche vollgefüllet wären.
Man kann an demselben weder einen Glanz, vielweniger einige Structur, wie bey verschiedenen Erzen, gewahr werden. In kleinen Stücken ist dasselbe ziemlich durchsichtig, und alsdenn gleichet es einem rothen, durchsichtigen Bernsteine. Es läßt sich, in einem Mörser, mit leichter Mühe, in ein blasgelbes Pulver zerreiben, wie es denn überhaupt sehr spröde ist, dergestalt daß man so gar mit dem Nagel kleine Stückchen von demselben abkratzen kann. Das auf das zerriebene Erz gegoßne Wasser veränderte seine natürliche Farbe gar nicht, ja es erlangte hierdurch weder einen andern Geschmack noch Geruch. Im Feuer giebt es keinen Rauch von sich, und ist über dieses sehr schwer im Fluß zubringen. Die mit diesem Erze auf der Kapelle unternommene Versuche, haben zu erkennen gegeben, daß es einige Loth Silber halte, und die übrige Bearbeitung, so ich mit demselben unternommen, hat mich belehret, daß man dasselbe zu keiner anderen Art von Erzen, als zu der so genannten Blende zu rechnen habe, wie es denn auch mit dem bekannten ungarischen Colophonienerze, wenn man dessen blättrichte Structur ausnimmt, eine grosse Gleichheit zu haben scheinet.
Ich werde die mit dieser Blende unternommene Versuche, vielleicht bey einer andern Gelegenheit bekannt machen und zugleich zeigen, daß dieselbe eben so wohl, wie die bereits bekannten meisten Arten der Blende, zu den Zinkerzen gehöre."
Wie SCHULZE hier auf die Zinkblende gekommen ist, lässt sich schwer nachvollziehen. Möglicherweise hat ihn die sogenannte "verglaste Blende", eine durch fein verteilte, eingelagerte Silberminerale sehr untypisch aussehende Zinkblende, dazu veranlasst. Die von SCHULZE angekündigte Veröffentlichung zur chemischen Untersuchung ist offenbar nicht mehr erschienen.


         Ein weiterer Fund bei Großvoigtsberg

Einen weiteren Fund aus einer Nachbargrube führt Johann Jacob FERBER 1778 an. In der Beschreibung der Eigenschaften geht er nicht über die Angaben von SCHULZE hinaus, jedoch nahm er eine chemische Untersuchung vor, bei der erstmals tatsächliche Bestandteile erkannt werden.
"Zu Großvoigtsberg, im auswärtigen Reviere, sind 2 Gruben zu bemerken. 1) Die Christbescheerung, in welcher ein besonderes, dem Colophoniumharz, dem äußern Ansehen nach, völlig ähnliches Produkt, in Letten bricht, dessen chymische Untersuchung ich bey einer andern Gelegenheit liefern werde. Es soll im Anfang ganz weich seyn, und wie eine Guhr hervorsintern. Es brennt nicht im Feuer, hält viel Eisen und etwas Arsenik, und dürfte wohl ein Eisenbranderz seyn. 2) Alte Hoffnung Gottes, hat ein ähnliches Branderz im Jahr 1755 geliefert, welches Herr Schulze im 2ten Bande des Dresdner Magazins, S. 465, beschrieben hat, aber unrecht für Blende hält."
Wie schon bei SCHULZE, erscheint auch die von FERBER angekündigte chemische Untersuchung nicht. Unter "Eisenbranderz" sind nach den alten Beschreibungen (z.B. WALLERIUS, 1778) heute schwer zu deutende, dunkle, mit Säuren nicht brausende Eisenerze zu verstehen. Vielleicht handelt es sich um Gemenge. FERBER hat zu diesem Zeitpunkt das Material also nicht für ein eigenständiges Mineral gehalten. In den folgenden Jahren geriet das Mineral offenbar in Vergessenheit.


         Die Wiederentdeckung und Beschreibung als Eisenpecherz

Dietrich Ludwig Gustav KARSTEN bemerkte zufällig ein ihm unbekanntes Mineral aus der Grube Christbescherung in Großvoigtsberg bei Freiberg
"unter der alten vom verstorbenen Ferber gesammelten und dem Bergwerks-Departement jetzt angehörigen Suite von sächsischen Fossilien. Es fand sich verborgen in einer Schachtel, mit der Etiquette von Ferbers Hand, der hier gebrauchten Überschrift gleichlautend. [...] Die grosse Abweichung aller seiner Merkmale von jedem zur Zeit bekannt gewordenem Fossil veranlasste mich, es für eine selbständige Gattung zu halten, und unsen unermüdeten Kollegen, Herrn Klaproth, um die Zergliederung desselben zu bitten"
Das Mineral wird von KARSTEN & KLAPROTH (1808) wie folgt beschrieben:
"A. Äussere Charakteristik.
Farbe
: Graulichschwarz, durchs grünlichschwarze bis ins dunkel leberbraune mit einzelnen morgenrothen Stellen; andere Stücke sind völlig gelblich braun und verlaufen sich zum Theil bis ins röthlich braun, zum Theil auch bis ins Morgenroth. Äussere G. Zur Zeit unbekannt. Glanz: Inwendig starkglänzend oder glänzend von Fettglanze. Bruch: unvollkommen muschlich. Bruchstücke Unbestimmt eckig, scharfkantig. Abgesond. St. Kleinkörnig, je lichter die Farbe desto ausgezeichneter. Durchsichtigk.: Die rothen Stellen durchsichtig, übrigens nur an den Kanten durchscheinend. Härte: weich. Strich: Zitronengelb. Zusammenhang: Sehr leicht zerspringbar. Eig. Gewicht: Nicht sonderlich schwer, in geringem Grade. 2,407.
B. Anmerkungen.
1) Bey den hydrostatischen Versuchen ändert das Fossil in Wasser (von 14° Reaum.) Farbe, Glanz, Durchsichtigkeit und Zusammenhang. Es ward durchaus roth, von einer Mittelfarbe zwischen morgen- und hyacinthroth, erhielt Glasglanz; ward durchaus halbdurchsichtig, und zerfiel in lauter kleinkörnige abgesonderte Stücke.
2) An der Luft findet das Gegentheil statt, wie es scheint. Die an 30 Jahre wohl aufbewahrten Stücke waren dunkler, nur schimmernd, und von mehrerem Fettglanze als frisch aufgeschlagen."
Martin Heinrich KLAPROTH findet bei der Analyse (siehe Tabelle), dass "dieses Eisenpecherz aus schwefelsäuerlichem, mit seiner Basis übersetztem, Eisenoxyd" besteht.


In der Mineraliensammlung des Museums für Naturkunde Berlin befindet sich noch eine Probe mit dem Material, von dem Martin Heinrich KLAPROTH seine Analyse angefertigt hat (Nr. 2000-3861) sowie zwei Stufen "Eisenpecherz" von der Grube Christbescherung mit Etikett von Dietrich Ludwig Gustav KARSTEN (Nr. 200-3875 und 2000-3876).

         Die Benennung als Pitticit

Johann Friedrich Ludwig HAUSMANN (1813) nennt das vorher als Eisenpecherz bekannte Mineral Pitticit, nach griechisch pitta = Pech. Zum Fundort vermerkt er nur, dass das Mineral "vormals auf der Grube Christbescherung unweit Freiberg" vorgekommen ist.


         Weitere Untersuchungen an dem Mineral

Ernst Friedrich GLOCKER (1831) gibt eine Analyse von Friedrich STROMEYER an, der in einem Exemplar von Freiberg sowohl einen Arsenat- als auch einen Sulfatgehalt fand. GLOCKER betrachtet das Mineral als
"Wasserhaltiges Eisenoxyd mit Arseniksäure (Der Schwefelsäuregehalt, welchen Stromeyer noch fand und wodurch das Fossil einen vitriolischen Geschmack erhält, ist blos als zufällig anzusehen.)"
Carl Friedrich RAMMELSBERG (1853) untersuchte durchsichtigen, braunen Pitticit von der Grube Stamm Asser bei Schwarzenberg und findet einen deutlichen Arsengehalt. Er stellt die Formel "2 Fe2O3 . 3 SO3 + 2 (Fe2O3 . As2O5) + 24 HO" auf.

SCHMETZER et al. (1981) untersuchten Pitticit vom Cobaltkoritnigit-Typexemplar, das von einem nicht genau bekannten Fundort im Erzgebirge stammt (angenommen wurde das Schwarzenberger Revier, wahrscheinlicher erscheint aber das Schneeberger Revier). Das Material erwies sich als völlig sulfatfrei, enthielt aber z.T. bis über 10 % ZnO. Pete DUNN (1982) analysierte zahlreiche Proben von verschiedenen Fundorten, darunter auch Freiberg, Schwarzenberg und Schneeberg. Das Material enthiet sowohl Arsenat als auch Sulfat und lag etwa in dem Bereich der unten angegebenen Analyse von STROMEYER. DUNN betrachtet Pitticit als eine Bezeichnung für gelartige Eisenarsenat-Minerale mit variabler Zusammensetzung.


         Neue Funde von der Typlokalität

Anscheinend sind von der Grube Christbescherung bei Großvoigtsberg rund 200 Jahre lang keine weiteren Funde bekannt geworden, oder das Mineral wurde nicht beachtet. Erst 1993 gelangen Thomas WITZKE & Maja HOCKER Funde von einigen Exemplaren mit Pitticit auf einer vom Aaron-Stollen abgehenden Strecke in der Grube Christbescherung. Das Mineral trat hier als Verwitterungsprodukt von Arsenopyrit zusammen mit Kankit, Zykait, Bukovskyit, Gips und Jarosit auf Quarz auf.


Literatur:
DUNN, P.J. (1982): New data for pitticite and a second occurrence of yukonite at Sterling Hill, New Jersey.- Mineralogical Magazine 46, 261-264

FERBER, J.J. (1778): In den Sächsischen Gebürgen angestellte Beobachtungen. 5. Von den Bergwerken zu Freyberg.- Neue Beyträge zur Mineralgeschichte verschiedener Länder, Erster Band, Mietau, bey Jacob Friederich Hinz, p. 70-122 (speziell p. 107-108)

GLOCKER, E.F. (1831): Handbuch der Mineralogie.- Nürnberg, bey Johann Leonhard Schrag, p. 559-560

HAUSMANN, J.F.L. (1813): Handbuch der Mineralogie.- Göttingen, 1. Band, S. 285-286

KARSTEN, D.L.G. & KLAPROTH, H.M. (1808): Untersuchung des Eisenpecherzes, von der Christbescherung unweit Freiberg.- Der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin Magazin für die neuesten Entdeckungen in der gesammten Naturkunde III, 191-194

RAMMELSBERG, C.F. (1853): (Pitticit).- Fünftes Supplement zu dem Handwörterbuch des chemischen Theils der Mineralogie, Berlin, p. 102

SCHMETZER, K.; HORN, W. & MEDENBACH, O. (1981): Über Kobaltkoritnigit, (Co,Zn)[H2O/AsO3OH], ein neues Mineral und Pitticit, Fe2O3 · As2O5 · 9-10 H2O, ein röntgenamorphes Fe-Arsenat-Hydrat.- Neues Jahrbuch für Mineralogie, Monatshefte, 257-266

SCHULZE, S. (1765): Einige Beyträge zur sächßischen Naturhistorie.- Dresdnisches Magazin, oder Ausarbeitungen und Nachrichten zum Behuf der Naturlehre, der Arzneykunst, der Sitten und der schönen Wissenschaften. Zweyter Band, 458-471 (speziell p. 465-466)

WALLERIUS, J.G. (1778): Systema mineralogicum, quo corpora mineralia in classes, ordines, genera et species suis cum varietatibus divisa, describuntur, atqve observationibus, experimentis et figures ænis illustratur.- Editio nova & correcta, Viennæ, ex Officina Krausiana, Vol. 2, p. 251

WITZKE, T. & HOCKER, M. (1993): Neue Vorkommen von Bukovskyit, Zykait und Kankit.- Lapis 18, 6, 49-50





Pitticit. Graul, Schwarzenberg, Erzgebirge, Sachsen. Bildbreite 6 mm. Sammlung und Foto Thomas Witzke.




Chemische Analyse von Pitticit (in Masse-%)

    Komponenten,
  nach KARSTEN &
  KLAPROTH (1808);   
  KERSTEN (1828);
  STROMEYER
  Eisenpecherz,
  Christbescherung   
  bei Freiberg,
  KARSTEN &
  KLAPROTH (1808)   
  Pitticit,
  Freiberg,
  STROMEYER     
  in GLOCKER (1831)   
  Pitticit,
  Stamm Asser,
  Schwarzenberg,  
  RAMMELSBERG (1853)  
  Fe2O3   Eisenoxyd   67   33.096   34.85
  Mn2O3   Manganoxyd       0.641  
  As2O5   Arseniksäure     26.059   26.70
  H2SO4   concrete Schwefelsäure        8    
  SO3   Schwefelsäure     10.038   13.91
  H2O   Wasser   25   29.255   24.54 (Diff.)
  Summe       100 100.00 100.00




© Thomas Witzke / Stollentroll

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