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Rinneit


Formel: K3NaFeCl6, trigonal

Typlokalität: 547-Meter-Sohle, Ostfeld der Kali-Lagerstätte der Nordhäuser Kaliwerke, Schacht Hain I, Ortsteil Hain, Kleinfurra bei Nordhausen, Thüringen

Erstbeschreibung:
BOEKE, H.E. (1909): Rinneit, ein neugefundenes eisenchlorürhaltiges Salzmineral.- Centralblatt für Mineralogie, Geologie und Paläontologie, 72-75




Hellbräunlicher Rinneit mit farblosem Carnallit. Merkers, Thüringen. Bildbreite 4 mm. Sammlung und Foto Thomas Witzke.



         Die Entdeckung von Rinneit

Der an der Universität in Königsberg in Preussen tätige, aus den Niederlanden stammende Mineraloge Hendrik Enno BOEKE (1909 a) berichtet über ein neues Eisenchlorid aus dem Kalisalz:
"Im folgenden soll über eine stark eisenhaltige neue Salzart berichtet werden, die seit einiger Zeit an einer Stelle des Südharzer Kalisalzbezirks in großen Mengen gewonnen wird. Veranlaßt durch eine Umfrage über Eisensalze in Kalisalzlagerstätten, welche ich am 15. September 1908 in die Zeitschrift "Kali" aufnehmen ließ, bekam ich gleichzeitig von Herrn Oberbergrat HUMPERDINCK - Halle a. S. und von Herrn Bergwerksdirektor KAIN - Nordhausen die Nachricht, daß zurzeit auf den Nordhäuser Kaliwerken ein eigentümliches eisenführendes Salz abgebaut werde. [...] Die chemische Analyse ergab alsbald, daß ein neues Mineral vorliegt, und mit Genehmigung der Beteiligten schlage ich vor, es Rinneit zu nennen nach Herrn Geheimrat RINNE - Kiel, der sich um die Salzforschung und besonders um die umfassende Organisation dieser Untersuchungen so große Verdienste erworben hat.
[...] Bekanntlich trifft der Förderschacht der Nordhäuser Kaliwerke das Kalilager gerade im höchsten Punkte einer Sattelkuppe bei einer Teufe von ca. 540 m. Das Kalilager besteht hier aus einer ca. 35 m mächtigen, fast flachgelagerten Schicht von konglomeratischem Carnallit. Bei einer Entfernung von 100 - 200 m vom Schachte in allen Windrichtungen, ausgenommen gegen Westen, biegt sich das Lager zur größeren Tiefe und besonders im Ost-Felde der Grubenanlage (wo auch der Rinneit auftritt) sind die Lagerungsverhältnisse klar zu übersehen. Das Kalilager fällt hier unter ca. 40° ein und besteht aus einer 16 m mächtigen konglomeratischen Carnallitschicht, überlagert von 2 - 3 m deutlich gebändertem Hartsalz. In der hangenden Partie dieses Hartsalzes, auf der 547 m-Sohle, befinden sich viele Einlagerungen von Rinneit. [...]
An vielen Stellen aber ist das Eisenoxydulsalz als Rinneit in größeren Mengen rein auskristalliert. Es bildet dann linsenförmige Massen, welche der Schichtung des Hartsalzes parallel gelagert sind. Die Dimensionen der Linsen sind meistens ca. 80 zu 25 cm, häufig auch kleiner, einmal war eine Linse von ca. 3 m Länge zu 1 m Dicke zu beobachten. Die Rinneitlinsen sind gewöhnlich oben von einer ca. 5 cm dicken Schicht aus weißem Sylvin begrenzt, welche unten fehlt. [...]
Das Mineral in seinem Vorkommen im Hartsalz unterscheidet sich deutlich von den übrigen Salzen. Beim ersten Anhauen ist es fast wasserklar, aber sehr bald, häufig innerhalb weniger Minuten, läuft es gelb an. Manchmal ist vorübergehend eine rosa oder violette Farbe zu beobachten. [...]
Das Salz bleibt beim Liegen an der Luft trocken, allmählich aber tritt Oxydation ein unter Braunfärbung. [...]
Eine wichtige Eigenschaft de Rinneits ist noch der Geschmack nach Tinte, nur stärker zusammenziehend. Dadurch ist ein schnelles und bequemes Unterscheidungsmerkmal gegenüber Sylvin, Steinsalz usw. gegeben.
Das spezifische Gewicht ermittelte ich nach der Schwebemethode in Azetylentetrabromid und Benzol zu 2,34.
Von den kristallographischen Eigenschaften wurde schon die sehr grobkörnige Ausbildung erwähnt. Kristallflächen, welche etwa gemessen werden könnten, habe ich nicht gefunden. Dagegen ist eine ausgeprägte Spaltbarkeit vorhanden nach drei Richtungen in einer Zone, welche sich unter Winkeln von 60° schneiden. [...]
Starker Glanz, häufig seidenartig. Doppelbrechung sehr schwach [...]. Im konvergent polarisierten Licht tritt bei Platten senkrecht zur Spaltung ein scharfes Achsenkreuz auf [...]. Dieses Bild ändert sich nicht beim Drehen des Objekttisches, das Mineral ist also optische einaxig. Hieraus und aus der Spaltbarkeit ist zu schließen, daß es dem hexagonalen System angehört. Doppelbrechung positiv [...]
In Bezug auf die Härte fand ich, daß Gips deutlich geritzt wird, daß Kalkspat dagegen das Mineral nur schwach ritzt, de Härte ist daher fast 3 der MOHS'schen Skala."
Bei der chemischen Analyse zeigte sich, dass es sich um ein wasserfreies Kalium-Natrium-Eisen-Chlorid handelt. Das Eisen liegt in zweiwertiger Form vor. Als Formel wird "FeCl2 . 3KCl. NaCl" angegeben. BOEKE benannte das Mineral nach Friedrich Wilhelm Berthold RINNE (1863-1933), Kristallograph und Petrograph an der Universität Kiel.


         Weitere Untersuchungen an dem Mineral

Noch im gleichen Jahr veröffentlicht BOEKE (1909 b) eine ausführliche Arbeit, in der er besonders auf die Petrographie des Vorkommens eingeht und einige neue Daten zum Rinneit gibt. Weiterhin wird ein neues Vorkommen des Minerals in der Grube Hildesia bei Hildesheim genannt. BOEKE gelang die Synthese der Verbindung in 3 - 5 mm großen Kristallen mit Rhomboeder- und Prismenflächen. Die Vermessung der Kristalle ergab ein Achsenverhältnis von 1 : 0,5766, das Mineral kristallisiert wahrscheinlich ditrigonal-skalenoedrisch. Ein Exemplar von der Grube Hildesia zeigte einige Flächen, deren Vermessung eine gute Übereinstimmung mit dem synthetischen Material ergab. Als Dichte konnte ein Wert von 2,3474 bestimmt werden.

Kurz nach Veröffentlichung der Beschreibung des Rinneits aus dem Kalilager der Nordhäuser Kaliwerke durch BOEKE (1909 a und b) konnte O. SCHNEIDER (1909) in Material vom gleichen Fundort Stücken mit Kristallflächen auffinden. Weiterhin gibt er den zweiten Fundort genauer an, es handelt sich um das Westfeld der 720 m-Sohle, Gewerkschaft Hildesia, Diekholzen bei Hildesheim. Auch wenn keine kompletten Kristalle aus den Nordhäuser Kaliwerken vorlagen, erlaubte die Vermessung der Stücke mit mindestens zwei Flächen weitere Rückschlüsse:
"Die an diesen vorgenommenen Messungen ergaben die Richtigkeit der BOEKE'schen Vermutung, daß das Mineral hexagonal-rhomboedrisch kristallisiere. Die vorherrschende Form ist ein flaches Rhomboeder; zu diesem kommt zurücktretend als Abstumpfung der Randkanten die Säule II. Stellung, die aber immer nur an einzelnen Stellen vorhanden ist; ganz untergeordnet wurde das negative Rhomboeder beobachtet. Die Kristalle erreichen eine Größe von 3 cm im Durchmesser und eine Dicke in der Richtung der Vertikalachse von 2 cm.
[...] Das daraus berechnete Achsenabschnittsverhältnis lautet a : c = 1 : 0,5757."
Für das Material aus den Nordhäuser Kaliwerken teilt SCHNEIDER keine neue chemische Analyse mit, er veröffentlich jedoch eine von Direktor GRÄFE mitgeteilte Analyse von Rinneit aus der Grube Hildesia. Danach enthält das Material 27,17 % NaCl, während das Nordhäuser Material lediglich 14,47 % NaCl aufweist. Das Verhältnis KCl zu FeCl2 ist dagegen identisch. Weiter schreibt SCHNEIDER:
"Man könnte nun daraus schließen, daß das NaCl nicht zur Formel gehört, sondern nur mechanisch beigemengt ist. Dieser Auffassung gab auch Herr Direktor GRÄFE in seinem Begleitschreiben Ausdruck. Unter dieser Voraussetzung würdedann dem Salz die Formel 3KCl, FeCl2 zukommen. Dagegen spricht aber die Isomorphie des Rinneits mit einigen Salzen, die nach der Formel 4MCl, RCl2 aufgebaut sind, wobei das M durch K, Rb oder (NH4), das R durch Cl oder Br vertreten ist [Fehler im Artikel, an der Stelle wird Cd eingebaut - T.W.]. [...]
Demnach wird man annehmen müssen, daß dem Rinneit die Formel FeCl6K4 = 4KCl, FeCl2 zukommt, in der das K durch Na isomorph vertreten sein kann. In der von BOEKE angegebenen Formel wäre 1 Molekül KCl durch 1 Molekül NaCl ersetzt, das überschüssige NaCl des Hildesheimer Salzes dürfte demnach als mechanisch beigement zu betrachten sein."

1911 veröffentlichen Friedrich RINNE & B. KOLB eine neue Analyse des Materials von der Grube Hildesia. Dabei zeigte sich eine perfekte Übereinstimmung mit der Analyse des Rinneits aus den Nordhäuser Kaliwerken. Auch synthetisches Material zeigte die gleiche Zusammensetzung. Damit bestätigte sich, dass der Rinneit das "Tripelsalz FeCl2 . 3KCl. NaCl" darstellt, wie bereits von BOEKE (1909 a) festgestellt, und nicht ein Doppelsalz mit isomorpher Vertretung von K durch Na.


         Strukturanalysen

Chen-Wen CHENG (1928, nach STRUNZ, 1978) fand für Rinneit trigonal-skalenoedrische Symmetrie, Raumgruppe R-3c und für die Zelle in rhomboedrischer Aufstellung a = 8,42 Å und α = 92°25', mit Z = 2.
Eine Strukturanalyse an Rinneit vom Vesuv, Italien, wurde von A. BELLANCA (1947, nach BRAITSCH, 1962) durchgeführt. Die Raumgruppe R-3c wurde bestätigt und die Gitterparameter a = 11,89 und c = 13,89 Å in hexagonaler Aufstellung gefunden (die bei BRAITSCH zitierten Gitterparameter sind vermutlich aus der rhomboedrischen Zelle umgerechnet, eine Rückrechnung ergibt a = 8,28 Å und α = 91,77°).

J.C. BEATTIE & C.J. MOORE (1982) führten eine weitere Strukturanalyse an synthetischem Material durch. Für die rhomboedrische Zelle ermittelten sie die Parameter a = 8,3376 Å und α = 92,29°. Synthetischer Rinneit wurde von FIGGIS et al. (2000) bei verschiedenen Temperaturen studiert. Bei Raumtemperatur (293 K) fanden die Autoren die Gitterparamter a = 12,033 und c = 13,863 Å in hexagonaler Aufstellung.
Strukturbestimmendes Merkmal in Rinneit sind die isolierten, oktaedrischen FeCl6-Gruppen, die über K und Na miteinander verknüpft sind.


         Die Typlokalität von Rinneit

BOEKE (1909 a) gibt bei der Beschreibung des Rinneits als Vorkommen das Ostfeld der Grubenanlage der Nordhäuser Kaliwerke, 547-meter-Sohle, an. In dem ergänzenden Artikel von BOEKE (1909 b) findet sich Wolkramshausen als Ortsangabe und wieder das Grubenfeld der Nordhäuser Kaliwerke.

Die Nordhäuser Kaliwerke betrieben die Schächte Hain I (Wolkramshausen I) und Hain II (Wolkramshausen II) im Ortsteil Hain der Gemeinde Kleinfurra bei Nordhausen. Wolkramshausen ist die Nachbargemeinde von Kleinfurra. Der Schacht Hain I wurde ab 1906 abgeteuft und erreichte eine Teufe von 600 Metern. Schacht Hain II wurde erst 1912 abgeteuft, also nach Auffinden des Rinneits.
In Wolkramshausen gab es die Schächte Ludwigshall, abgeteuft 1905 - 1907, der bei 624 m Teufe auf das Kalisalz traf, und Immenrode, abgeteuft 1905-1908, der bei 778,8 Metern auf das Kaliflöz Stassfurt traf. Beide wurden jedoch nicht durch die Nordhäuser Kaliwerke, sondern durch die Kaliwerk Ludwigshall Aktiengesellschaft betrieben. Mit dem Niedergang der deutschen Kali-Industrie Anfang der 1920er Jahre erfolgte ein Konzentrations- und Konsolidierungsprozess mit Stillegung zahlreicher ineffektiv arbeitender Werke, darunter auch die Schächte der Nordhäuser Kaliwerke sowie die Schächte Ludwigshall und Immenrode (BAUMGARTEN, 2018).

Obwohl zum Teil Wolkramshausen als erster Fundort des Rinneits angegeben wurde (BOEKE, 1909 b), ist die korrekte Angabe der Typlokalität das Ostfeld der Kali-Lagerstätte der Nordhäuser Kaliwerke, Schacht Hain I, Ortsteil Hain, Kleinfurra bei Nordhausen. Die beiden Wolkramshausener Schächte passen mit den Teufenangaben zum Kaliflöz auch nicht zu der Angabe einer Teufe von 547 m bei BOEKE (1909 a). Zu bemerken ist jedoch, dass der Schacht Hain I auch den Namen Wolkramshausen I führt, was wahrscheinlich zu der Ortsangabe Wolkramshausen geführt hat.



Chemische Analyse von Rinneit (in Masse-%)

    Rinneit,   
  Wolkramshausen,   
  BOEKE, 1909
  Rinneit,
  theoretische
  Zusammensetzung   
  Fe   13.94   13.66
  K   28.90   28.69
  Na     5.61     5.62
  Cl   51.87   52.03
  Br     0.04  
  Summe     100.36 100.00



Literatur:
BAUMGARTEN, L. (2018): Die Kali- und Steinsalzschächte Deutschlands.- https://www.lars-baumgarten.de/ (abgerufen April 2018)

BEATTIE, J.K. & MOORE, C.J. (1982): Crystal and molecular structures of rinneite, sodium tripotassium hexachloroferrate(II), and hexaamminecobalt(III) hexachloroferrate(III). Comparison of iron-chloride distances in hexachloroferrates(II) and -(III).- Inorganic Chemistry 21, 1292-1295

BELLANCA, A. (1947): La rinneite: struttura e relazioni cristallochimiche con la cloromanganocalite.- Periodico di Mineralogia 16, 199–213.Zitiert in: BRAITSCH (1962)

BOEKE, H.E. (1909 a): Rinneit, ein neugefundenes eisenchlorürhaltiges Salzmineral.- Centralblatt für Mineralogie, Geologie und Paläontologie, 72-75

BOEKE, H.E. (1909 b): Das Rinneitvorkommen von Wolkramshausen am Südharz.- Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Paläontologie, Jahrgang 1909, II Band, 19-56

BRAITSCH, O. (1962): Entstehung und Stoffbestand der Salzlagerstätten.- Springer Verlag, Berlin - Göttingen - Heidelberg (p. 15)

CHENG, C.-W. (1928) Dissertation, Leipzig. Zitiert in: STRUNZ (1978)

FIGGIS, B.N.; SOBOLEV, A.N.; KUCHARSKI, E.S. & BROUGHTON, V. (2000): Rinneite, K3Na[FeCl6], at 293, 84 and 9.5 K.- Acta Crystallographica C56, e228-e229

RINNE, F. & KOLB, B. (1911): Chemische Natur, Bautypus und Vorkommen des Rinneit.- Centralblatt für Mineralogie, Geologie und Paläontologie, 337-342

SCHNEIDER, O. (1909): Zur Kristallform des Rinneits.- Centralblatt für Mineralogie, Geologie und Paläontologie, 503-506

STRUNZ, H. (1978): Mineralogische Tabellen. 7. Auflage.- Leipzig, Akademische Verlagsgesellschaft Geest & Portig K.-G., 621 p. (p.163)





© Thomas Witzke / Stollentroll

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