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Ungruppierte Chondrite / Ungrouped Chondrites
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Chondrite sind eine Gruppe von Meteoriten, die überwiegend aus Silikaten wie Olivin, Pyroxen
und Plagioklas bzw. deren Alterationsprodukten bestehen. Sie können bis zu 20 Vol.-% metallische
Phasen enthalten. Charakteristisches Merkmal sind kugelige Einschlüsse, die sogenannten Chondren,
die bis einige Millimeter (und selten auch Zentimeter) Größe erreichen können.
Chondrite stellen undifferenzierte Meteorite dar. Sie stammen von Asteroiden, die in den meisten
Fällen nicht so stark erhitzt wurden, dass es zu Schmelzprozessen mit anschließender Trennung
von Metall- und Silikatphase und Ausbildung von einem metallischen Kern und einem silikatischen Mantel
in dem Körper kam. Diese Meteorite repräsentieren deshalb primitives Material aus der
frühen Phase unseres Sonnensystems aus der Zeit vor ungefähr 4,56 Milliarden Jahren.
Chondrite sind durch Aggregation von Chondren entstanden. Chondren sind das Produkt eines kurzzeitigen
Prozesses, bei dem Material schnell aufgeheizt wurde und auch schnell wieder abkühlte. Der
genaue Entstehungsprozess der Chondren ist noch unbekannt, hier gibt es mehrere verschiedene Theorien.
Chondren bestehen überwiegend aus Olivin oder Pyroxen und Glas, sofern sie nicht metamorph
verändert sind. Durch Alteration, Metamorphose, Kollisionen und Impakte können die Chondren
unterschiedlich stark überprägt sein. Einige Chondrite enthalten Calcium-Aluminium-reiche
Einschlüsse (CAI's), die als die frühesten aus dem solaren Nebel kondensierten Objekte gelten.
Die Chondrite werden in verschiedene Klassen unterteilt, die sich nach ihrer Entstehungsgeschichte
(z.B. Entfernung von der Sonne) und Mutterkörper unterscheiden.
Ungruppierte Chondrite weisen im Gegensatz zu den nicht klassifizierten eine offizielle Bezeichnung
auf und sie sind chemisch und mineralogisch untersucht. Die Daten weichen jedoch von denen der
bekannten Chondrit-Gruppen ab. Wahrscheinlich stammen die Meteorite von separaten Mutterkörpern.
Bisher liegen noch nicht ausreichend Vertreter vor, um eigenen Gruppen zu bilden.
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Chondrite, nicht gruppiert
Der Meteorit Northwest-Africa 13411 weist Beziehungen zu den Gewöhnlichen Chondriten auf, zeigt jedoch
davon abweichende Sauerstoffisotopendaten, so dass er sich keiner bekannten Gruppe zuordnen lässt.
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NWA 13411. Chondrit, ungruppiert.
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Meteorit NWA 13411.
Chondrit, ungruppiert, Typ 5 (OC 5 anomal).
Fund 2018. West-Sahara. TKW 264 g.
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NWA 13411. Teilscheibe. Größe 23 x 10 mm, Gewicht 2 g. Sammlung und Foto Thomas Witzke.
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Der Meteorit NWA 13411 zeigt verbreitet Chondren sowie verwittertes Metall und Sulfide. Die
Chondren sind equilibriert. Es liegt ein petrologischer Typ 5 vor. Bei dem Olivin handelt es
sich um Forsterit (Fa 8.35). Der Pyroxen ist überwiegend Enstatit (Fs 8.47 Wo 1.09),
zum Teil mit einem Rand von Augit (Fs 3.44 Wo 46.93). Weiterhin sind Plagioklas (Albit bis Anorthit),
Apatit, Chromit, Kamacit, Taenit, troilit und als terrestrisches Verwitterungsprodukt Gips
vorhanden. NAW 13411 weist Beziehungen zu Gewöhnlichen Chondriten auf, die Sauerstoffisotopendaten
weichen jedoch davon ab.
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Chondrite, nicht gruppiert, metall-arm
Die Meteorite Nordwest-Afrika 960, Nordwest-Afrika 2336 und Hammadah al Hamra 180 (und wahrscheinlich einige
weitere, als gewöhnliche Chondrite klassifizierte Exemplare zeigen sehr ähnlich Sauerstoff-Isotopendaten,
die oberhalb der Terrestrischen Fraktioierungslinie (TFL) liegen, aber außerhalb der Felder Gewöhnlicher,
Rumuruti- und Enstatit-Chondrite. Sie bilden wahrscheinlich eine eigene Gruppe.
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NWA 960. Chondrit, ungruppiert.
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Meteorit NWA 960.
Chondrit, ungruppiert, Typ 3, Metall-arm.
Fund 2001. Nordwestafrika, Sahara. TKW 997 g.
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NWA 960. Teilscheibe. Größe 16 x 12 mm, Gewicht 1,6 g. Sammlung und Foto Thomas Witzke.
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Bei dem Meteoriten handelt es sich um einen Metall-armen, nicht-kohligen Chondriten. Die Sauerstoffisotopendaten
liegen außerhalb der Felder von Gewöhnlichen und Rumuruti-Chondriten (Rumble et al., 2007). Die meisten
Chondren sind Olivin-reich (Forsterit), einige enthalten auch Ca-armen Pyroxen. Als Nebenphasen sind Magnetit,
Troilit, Pentlandit und Chromit vorhanden. Schockstadium S1, Verwitterungsgrad W1-2.
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NWA 2336. Chondrit, ungruppiert.
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Meteorit NWA 2336.
Chondrit, ungruppiert, Typ 3.
Fund 2002. Nordwestafrika, Sahara. TKW 402 g.
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NWA 2336. Teilscheibe. Größe 19 x 13 mm, Gewicht 1,68 g. Sammlung und Foto Thomas Witzke.
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Zu den Meteoriten sind derzeit nur wenige Daten verfügbar. In der Meteoritical Bulletin Database ist
er als H3.1 klassifiziert. Die Sauerstoffisotopendaten (δ17O 4,13 und δ18O 6,52)
passen jedoch zu keiner bekannten Meteoritengruppe. Der Wert liegt im δ17O/δ18O-Diagramm oberhalb der
terrestrischen Fraktionierungslinie, deutlich außerhalb des Bereiches der LL-Chondrite, aber dicht an
den Daten von NWA 960 und Hammadah al Hamra 180. Olivin Fa6.4-35.7, Pyroxen Fs6.6-14.6. Verwitterungsgrad W0/1.
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Hammadah al Hamra 180. Chondrit, ungruppiert.
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Meteorit Hammadah al Hamra 180.
Chondrit, ungruppiert, Typ 3, Metall-arm.
Fund 1996. Hammadah al Hamra, Ash Shati, Libyen (28° 36' 13"N, 13° 18' 2"E). TKW 936 g.
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Hammadah al Hamra 180. Teilscheibe. Größe 9 x 5 mm, Gewicht 0,334 g. Sammlung und Foto Thomas Witzke.
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Bei HaH 180 handelt es sich um einen Metall-armen, nicht-kohligen Chondriten vom petrologischen
Typ 3. Die Sauerstoffisotopendaten liegen außerhalb der Felder von Gewöhnlichen und
Rumuruti-Chondriten und sind ähnlich denen von NWA 960. HaH 180 enthält Olivin
(Forsterit, im Mittel Fa13.8 mit einem Bereich Fa0.9-28) sowie Pyroxen (Fs 1-22).
Schockstadium S2, Verwitterungsgrad W4.
Es sind insgesamt 6 Steine gefunden worden.
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Chondrite, nicht gruppiert, metall-arm
Die Sauerstoffisotopendaten von Jiddat al Harasis 846 liegen außerhalb der Felder Gewöhnlicher,
Rumuruti- und Enstatit-Chondrite und unterscheiden sich auch von den Daten von NWA 960 etc. Der
Meteorit stammt wahrscheinlich von einem separaten Mutterkörper.
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Jiddat al Harasis 846. Chondrit, ungruppiert.
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Meteorit Jiddat al Harasis 846.
Chondrit, ungruppiert, Typ 3.
Fund 2011. Al Wusta, Oman (19.839°N, 55.870°E). TKW 260 g.
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Jiddat al Harasis 846. Teilscheibe. Größe 12 x 9 mm, Gewicht 0,46 g. Sammlung und Foto Thomas Witzke.
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Jiddat al Harasis 846 weist viele Merkmale auf, die für einen nicht equilibrierten Chondriten vom Typ L3.5 oder LL3.5 sprechen.
Die Chondren weisen einen Durchmesser von 0,2 bis 2,2 mm auf. Der Fayalit zeigt die Zusammensetzung Fa0,6 - 38,1. Ungewöhnlich
ist das reichliche Auftreten von einem SiO2-Polymorph (wahrscheinlich Cristobalit) mit Orthopyroxen
in den Chondren. Die Sauerstoffisotopendaten liegen deutlich außerhalb des Feldes von L- und LL-Chondriten und näher an der TFL.
Jiddat al Harasis 846 dürfte von einem separaten Mutterkörper stammen (Ziegler et al., 2015).
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Chondrite, nicht gruppiert, R-Chondrit-ähnlich
Ein Fragment des Fall von Almahata Sitta, bezeichnet als "MS-CH" erwies sich als ein neuer Typ Chondrit mit
mit Beziehungen zu den R-Chondriten, aber auch deutlichen Unterschieden zu diesen. Weiteres Material dieses
Typs ist bisher nicht bekannt.
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Almahata Sitta "MS-CH". Chondrit, ungruppiert.
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Meteorit Almahata Sitta "MS-CH" (Fragment).
Chondrit, ungruppiert, Typ 3.8 (Ureilit, polymikt, anomal).
Fall 7. Oktober 2008. Almahata Sitta, Nordost-Sudan. TKW 5,68 g (bzw. ca. 5 kg).
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Almahata Sitta "MS-CH". Fragment. Größe 5,5 x 4,5 mm, Gewicht 0,07 g. Sammlung und Foto Thomas Witzke.
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Bei dem Meteoriten Almahata Sitta handelt es sich um die Reste des Asteroiden 2008 TC3. Der
Asteroid wurde am 6. Oktober 2008 in rund 500.000 km Entfernung von der Erde entdeckt.
Bahnberechnungen ergaben, dass er am 7. Oktober 2008 auf der Erde in Nord-Sudan in der Nubischen
Wüste einschlagen wird. Es handelt sich um den ersten vorausberechneten
Impakt eines Asteroiden auf der Erde. Almahata Sitta wurde als
polymikter, anomaler
Ureilit klassifiziert, der ureilitische, enstatit-chondritische und chondritische
Lithologien enthält. Ein Fragment von 5,68 g, bezeichnet als MS-CH, stellte sich
als völlig neuer Chondrit-Typ heraus. Die mittlere Chondrengröße liegt
bei etwa 450 µm. Der Matrixanteil beträgt 45 %, der Metallanteil bei 2,5 %. Das Material
weist äquilibrierten Olivin (Forsterit, Fa36) auf. Der TiO2-Gehalt
im Cr-Spinell ist viel niedriger als bei R-Chondriten. Die CAI's sind reich
an Spinell. Magnetit, der für CK- und R-Chondrite typisch ist, wurde nicht gefunden.
Die Sauerstoff-Isotopendaten liegen zwischen denen von Gewöhnlichen und R-Chondriten.
Bisher ist keine Gruppe bekannt, die all diese Charakteristika vereint (Horstmann et al., 2010).
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Chondrite, nicht gruppiert, metall-reich ("G-Chondrite")
Die Meteorite GRO95551, Nordwest-Afrika 5492 und Sierra Gorda 009 stellen metall-reiche Chondrite dar, mit einigen
Ähnlichkiten zu den CH-Chondriten, aber auch deutlichen Unterschieden. Es handelt sich um stark reduziertes Material.
Für die Meteorite wurde die Bezeichnung "G-Chondrite" vorgeschlagen. Ob sie alle von einem Mutterkörper stammen, ist
noch nicht geklärt.
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NWA 5492. Chondrit, ungruppiert.
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Meteorit NWA 5492 (Teilscheibe).
Chondrit, ungruppiert, Typ 3, Metall-reich, reduziert ("G-Chondrite").
Fund 2008. Nordwestafrika. TKW 593 g.
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NWA 5492. Größe 22 x 15 mm, Gewicht 1,36 g. Sammlung und Foto Thomas Witzke.
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NWA 5492 ist ein sehr ungewöhnlicher Chondrit. Er ist brekziiert, enthält Chondren,
Chondrenfragmente und verschiedene Klasten, aber keine CAI's. Hauptmineral ist
Enstatit von fast Endgliedzusammensetzung (Fs <0.5). Selten ist Olivin (Forsterit, Fa <0.3),
Clinopyroxen (En49Fs0.4Wo51) und Plagioklas (Albit, An35). Der Gehalt an Kamacit
(5.5 % Ni) ist sehr hoch. Daneben sind Troilit sowie untergeordnet Daubreelit und Alabandit
vorhanden. Die Sauerstoffisotopendaten stimmen nicht mit denen anderer Chondrite
überein. Die reduzierte Mineralogie ähnelt E-Chondriten, jedoch weichen das Mg/Si-Verhältnis,
die refraktären Elemente sowie die Abreicherung volatiler Elemente davon ab. Die chemische
Zusammensetzung und der hohe Metallgehalt legen eine Beziehung zu CH-Chondriten nahe, jedoch
ist NWA 5492 stärker reduziert, es fehlen CAI's und eine Anreicherung refraktärer
Elemente ist nicht zu beobachten. NWA 5492 weist ein sehr hohes Modellalter auf, nicht mehr
als 0,7 Millionen Jahre nach der
CAI-Bildung. Dies könnte die primäre Metall-Silikat-Kondensation im frühen
Sonnennebel datieren. Zusammensetzung und Sauerstofffugazität stimmen mit einem Kondensat
aus dem Nebel nach Kondensation von Si überein. Nach Modellrechnungen ist für die
frühe Erde von einer Akkretion von reduziertem, volatil-armen Material auszugehen
(Friend et al., 2011).
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Chondrite, nicht gruppiert, metall-dominant
Der Meteorit Nordwest-Afrika 12273 ist ein metall-dominanter Chondrit, ähnlich den CB b-Chondriten. Er
unterscheidet sich jedoch von diesen in einigen Merkmalen, unter anderem den Sauerstoff-Isotopendaten.
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NWA 12273. Chondrit, ungruppiert.
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Meteorit NWA 12273.
Chondrit, ungruppiert.
Fund 2018. Nordwest-Afrika. TKW 280 g.
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Nordwest-Afrika 12273. Teilscheibe. Größe 20 x 13 mm, Gewicht 2,29 g. Sammlung und Foto Thomas Witzke.
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Der sehr ungewöhnliche Meteorit Nordwest-Afrika 12273 besteht zu etwa 75% aus Metall und zu
etwa 20 % aus Chondren (Meteoritical Bulletin) bzw. 64 % Metall und 30 % Chondren (Agee et al.,
2019). Bei dem Metall handelt es sich überwiegend um Kamacit (ca. 90 %) und
untergeordnet Taenit (ca. 10 %). Es bildet Körner bis 1 mm Durchmesser. Die größeren
Körner weisen meist eine Kern aus Taenit auf, der vom Kamacit umgeben ist.
Spärlich tritt Troilit auf. Die Chondren zeigen überwiegend porphyrische Struktur und sind
100 bis 500 Mikrometer groß. Olivin weist die Zusammensetzung Fa26.2 +/- 3.3 auf. Für den
Ca-armen Pyroxen wird Fs15.3 Wo0.7 angegeben. Selten findet sich ein SiO2-Polymorph.
In den meisten Chondren ist Mesostasis oder Glas vorhanden, was in Übereinstimmung mit dem
petrologischen Typ 3 steht (Agee et al., 2019). Der Olivin enspricht denen aus L3-Chondriten,
der Pyroxen dagegen den aus H4-Chondriten.
Die Textur von NWA 12273 ähnelt der von kohligen Chondriten CB b, die Sauerstoffisotope überlappen
sich mit denen von LL-Chondriten.
Pairing: NWA 12379, NWA 13202.
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weiter zu
Literatur:
Agee, C.B.; Vaci, Z.; Ziegler, K. & Spilde, M.N. (2019): Northwest Africa 12273: unique ungrouped metal-rich chondrite.-
50th Lunar and Planetary Science Conference, 1176.pdf
Friend, P. (2011): Northwest Africa 5492: An extremely reduced chondritic meteorite with low volatile element contents.- 42nd Lunar and Planetary Science
Conference, 1095.pdf
Horstmann et al. (2010): Almahata Sitta-Fragment MS-CH: Characterization of a new chondrite type.- Meteoritics & Planetary Science 45,
Rumble, D. et al. (2007): Supra-TFL oxygen isotopic compositions im metal-poor "ordinary" chondrites: samples from unrecognized chondritic parent bodies.-
Lunar and Planetary Science 38
Ziegler, K.; Irving, A.J.; Kuehner, S.M. & Sipiera, P.P. (2015): Anomalous oxygen isotopic compositions of unequilibrated but supposedly ordinary chondrites,
including ungrouped silica-bearing chondrite Jiddat al Harasis 846.- 78th Annual meeting of the Meteoritical Society, 5052.pdf
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© Thomas Witzke
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