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Chlorargyrit


Formel: AgCl, kubisch

Typlokalität: Schneeberg, Marienberg und Grube Himmlisch Heer bei Annaberg, Sachsen (und Schönberger Zeche, Jachymov, Böhmen)

Erstbeschreibung:
AGRICOLA, G. (1546): De ortu & causis subterraneorum Lib. V / De natura eorum quæ effluunt ex terra Lib. IIII / De natura fossilium Lib. X / De ueteribus & nouis metallis Lib. II / Bermannus, siue De re metallica Dialogus. / Interpretatio Germanica uocum rei metallicæ, additio Indice fœcundissimo.- Basileæ, Froben, 472 p. + Index [De natura fossilium, Lib. X, p. 364]
     (als "Argentum rude purpureum" und "Argentum rude jecoris coloris")
MATHESIUS, J. (1562): Sarepta oder Bergpostill sampt der Joachimßthalischen kurtzen Chroniken.- Gedruckt zu Nürnberg, durch Johann vom Berg und Ulrich Newber, 233 p. (p. 40a und 88b)
     (als "leberfarb dicht silber ertz" und "hornfarb silber")

Erste Erwähnung (ohne Beschreibung):
AGRICOLA, G. (1530): Bermannus sive de re metallica.- Basileæ, in ædibus Frobenianis, 135 p. (p. 132)
     (wahrscheinlich als "Argentum rude purpureum")

Benennung:
WEISBACH, A. (1875): Synopsis Mineralogica. Systematische Übersicht des Mineralreiches.- Freiberg, J.G. Engelhardt'sche Bunhandlung, 78 p. (p. 37)
     (Benennung als "Chlorargyrit", ohne eigene Untersuchung)




Hellbräunliche Kristalle von Chlorargyrit. Grube St. Georg, Schneeberg, Erzgebirge, Sachsen. Bildbreite 8,5 mm. Sammlung und Foto Thomas Witzke.


 
          Die ersten Beschreibungen im 16. Jahrhundert durch Georgius AGRICOLA und Johannes MATHESIUS

Das Silbermineral ist sicher schon Georgius AGRICOLA bekannt gewesen. Merkwürdigerweise wird es jedoch in seinem Werk "Bermannus, sive de re metallica" von 1530 nicht näher beschrieben, nur unter den Silbererzen aufgezählt:
"Argentum rude   silber ertz.
Argentum rude puniceum   rot gulden ertz.
Argentum rude plumbei coloris   glasz ertz.
Argentum rude nigrum   schuuartz ertz.
Argentum rude purpureum   brun ertz.
Argentum rude cineraceum   grau ertz."
Das Argentum rude purpureum dürfte wahrscheinlich dem Chlorargyrit entsprechen. Weitere Angaben gibt es nicht dazu. Nur wenig mehr findet sich 1546 in seinem Buch "De Natura Fossilium". Neben dem Argentum rude purpureum erwähnt AGRICOLA hier ein weiteres Mineral, bei dem es sich ebenfalls um Chlorargyrit handeln dürfte, das Argentum rude jecoris coloris, das leberfarbene Silbererz. Die Minerale finden sich im Fürstentum Meißen und in Böhmen, wenn auch selten. Für letztere Region wird explizit die Schönberger Zeche in Joachimsthal (Jáchymov) als Vorkommen genannt. Worin der Unterschied zwischen seinem Braunerz und dem leberfarbenen Erz besteht, und warum er diese als zwei Minerale aufführt, ist nicht ersichtlich.

Die nächsten Angaben finden sich 1562 in der ersten Auflage der "Sarepta oder Bergpostill" von Johannes MATHESIUS. Dabei handelt es sich um eine Sammlung von 16 Predigten, die zwischen 1552 und 1562 entstanden sind. MATHESIUS (1504-1565) wirkte nach Studien in Wittenberg und anderen Orten als lutherischer Prediger und Pfarrer in Joachimsthal (Jáchymov) und verband in der "Sarepta oder Bergpostill" christliche Inhalte und moralische Ermahnungen mit praktischen mineralogischen, geologischen, bergmännischen und aufbereitungstechnischen Kenntnissen. MATHESIUS schreibt hier in der Dritten Predigt "Vom vrsprung zu vnd abnemen der Metallen":
"Auffm Schneeberg hat ein leberfarb dicht silber ertz gebrochen / darauß man bilde geschnitten / wie ich vom Himelischen heer ein braun dicht Ertz gesehen / welchs nachm schnit ist grün worden. Auffm Marien berg ist hornfarb silber gebrochen / welches durchsichtig ist / vnnd schmiltzt vber eim liecht. Im fewer aber wirdt einerley weyß silber drauß / on das von einem gang geschmeydiger silber wirdt / denn vom andern."
Die erwähnte Grube Himmlisch Heer liegt bei Annaberg im Erzgebirge. Weiter schreibt MATHESIUS in der Sechsten Predigt "Vom Silber":
"In vnsern gengen vnnd fletzen aber / bricht zweyerley silber ertz / Das eine ist gar sichtig / derb / gediegen oder lauter silber. Das ander bricht in allerley Bergkart / Angeschmeicht oder angeflogen glaßertz / oder weyß silber / ist kendtlich / Rotgülden euglein / vnd glasertz knosplen / vnd hericht oder wüschlicht silber ist auch zu kennen. Glaßertz lest sich auffm nagel streichen / oder untern zehnen fletzschen / oder gar hacken / drein schneyden wie inn ein pley. [...]
Rotgüldig ertz / je durchsichtiger es ist / je minder gibt es silber / wird es braun dunckel / vnnd glasig / so helt es deste mehr / weiß glasertz / ob es wol springt / dennoch ists auch fromm. Glaßertz aber vnd gediegen weyß silber / vnd das was man newlicher zeyt auff Marienberg gehawen / ist durch sichtig wie ein horn in einer Latern / vnd schmiltzt vberm liecht / das gibt was es geben sol."
Johannes MATHESIUS liefert hier die erste deutliche Beschreibung des Minerals. Wie AGRICOLA kennt auch er ein leberfarbenes und ein braunes Silbererz, zusätzlich aber noch ein hornfarbiges. Jedoch wird auch deutlich, dass er diese Erze nicht als eigene Spezies betrachtet, sondern mit dem Rotgültigerz und dem Glaserz zusammenfasst. Missverständlich erscheint der letzte hier zitierte Satz. Es hat den Anschein, als ob MATHESIUS das Glaserz als durchsichtig beschreibt, und entsprechend wird es auch bei anderen Autoren (z.B. KLAPROTH, 1795) angegeben. Die Bezeichnung Glaserz scheint zu der Zeit und bis ins 18. Jahrhundert hinein für den heutigen Chlorargyrit auch üblich gewesen zu sein, wie bei ALBINUS (1590) und LOMMER (1776) ersichtlich. Aus dem Kontext und der Dritten Predigt wird jedoch deutlich, dass MATHESIUS sich in dem Absatz mit den Silbergehalten verschiedener Silbererze befasst und die Angabe zur Durchsichtigkeit und Schmelzbarkeit sich offenbar nur auf das Marienberger Erz bezieht.

Die Frage nach einem Erstbeschreiber ist beim Chlorargyrit nicht einfach zu beantworten. Georgius AGRICOLA kannte das Mineral sicher, jedoch kann die Erwähnung von 1530 noch nicht als Erstbeschreibung gelten. Auch 1546 nennt er neben der Farbe keine weiteren charakteristischen Eigenschaften, und sein leberfarbenes Erz lässt sich erst durch die Angaben von MATHESIUS 1562 und FABRICIUS 1565 zuordnen. Johannes MATHESIUS gibt eine erste Beschreibung, nach der das Mineral klar erkennbar ist, auch wenn er verschiedene Ausbildungen noch nicht als ein Mineral bzw. Erz betrachtet. Hier ist es sicher sinnvoll, den Begriff eines Erstbeschreibers nicht so eng wie im heutigen Sinn zu fassen, sondern AGRICOLA und MATHESIUS gemeinsam zu nennen. Entsprechend werden auch die bei beiden Autoren erwähnten Fundorte als Typlokalitäten geführt.


          Weitere frühe Beschreibungen

Nur kurz nach der Veröffentlichung von MATHESIUS finden sich weitere Beschreibungen bei Johannes KENTMANN und Georg FABRICIUS in einem 1565 von Conrad GESNER zusammengestelltem Kompendium. In dem Katalog seiner Mineralsammlung listet Johannes KENTMANN (1565) das Silbermineral unter "Argentum, Flavi coloris" von Marienberg im Erzgebirge als
"Cornu pellucido simile, Marienbergium: candelae admotum liquescit.
Ein durchsichtig hornfarbs gediegen silber / das am lichte verschmiltzt."
Damit hält er sich dicht an die Formulierung bei MATHESIUS. Bei Georg FABRICIUS (1565) wird es wie folgt behandelt:
"Color autem eius quidam translucidus est, ut argenti rudis rubri et argenti rudis iecoris colore: illud rubino gemmae simile, hoc lucem corneam habet, et est prope modum simile sardae. [...] Rariores autum colores sunt, iecoris, quod olim Freibergi, nunc Marienbergi tantum effossum est in dimenso tertio ..."
FABRICIUS beschreibt hier ein durchsichtiges/durchscheinendes Silbererz von Leberfarbe, das hornartig aussieht und dem Sarder ähnlich ist (während ein rotes, durchsichtiges Silbererz dem Rubin ähnlich sieht). Es kam früher in Freiberg vor und findet sich jetzt in Marienberg. Im weiteren Text erwähnt FABRICIUS auch, dass man es zu Kunstwerken schnitzen kann. Als deutsche Entsprechung für das "Argentum iecoris colore" gibt er bei den Silbererzen "Läberfarben ertz" an. Er verbindet damit die lateinische Bezeichnung bei AGRICOLA mit der Beschreibung bei MATHESIUS.

Auch der sächsische Chronist und Heimatforscher Petrus ALBINUS (1590) befasst sich in seinem bedeutendsten Werk, der "Meißnischen Land und Bergchronica", mit dem Mineral und schreibt, dass er es aus eigener Anschauung kennt:
"Nach diesem ist noch seltsamer das grüne Silber Ertz / wie es auffm Schneberg und auff S. Annaberg gebrochen. So schreibt auch Matthesius / er habe ein breunlicht Ertz von Himmlischen Heer gesehen / welches nach dem schnit allerst grün worden. Solches grünes Glaß Ertzes / wie es eins theils nennen / so auff S. Georgen auffm Schneberg gebrochen / hab ich auch ein Stufflein in zimlicher gröse eines Thalers breit / in einer grossen Schawstuffen auffm Schneberg geseht. Wie auch sonsten daselbs ein derb Leberfarb Ertz gebrochen / daraus man Bilde geschnitten."
ALBINUS verwendet hier den Namen Glaserz für den heutigen Chlorargyrit. Zu beachten ist, dass dieses Glaserz nichts mit dem schon damals und auch heute noch bekannten Glaserz = Acanthit/Argentit zu tun hat. Die Bezeichnung Glaserz für letzteren ist auf die Wurzel Glanz- statt Glas- zurückzuführen.


          Bis 10 kg schwere Massen Hornerz

Während man das Silberchlorid im Erzgebirge beim Bergbau im Bereich von Gangausbissen und den oberen Teufen neben gediegen Silber sicher öfter angetroffen hat, rückten mit fortschreitender Teufe die Silbersulfide und der silberhaltige Bleiglanz in den Mittelpunkt. Besonders im 15. und 16. Jahrhundert konnten die Bergleute noch größere Stücke von dem Mineral gewinnen, so dass sich daraus die von MATHESIUS, FABRICIUS und ALBINUS erwähnten Schnitzereien fertigen ließen. Es sind Massen bis mehrere Pfund bekannt. Die bedeutendsten Fundorte waren Johanngeorgenstadt, Schneeberg, Freiberg, Annaberg und Marienberg. Heinrich Martin KLAPROTH schreibt 1789:
"Bey einer im vorigen Sommer gemachten kleinen mineralogischen Reise nach Dresden und Freyberg, zog im Churfürstl. Mineralienkabinette zu Dresden, unter andern, die derbe, mehrere Pfunde wiegende, Hornerzstuffe meine Aufmerksamkeit auf sich; wahrscheinlich noch ein glücklich gerettetes Ueberbleibsel aus dem, für den sächsischen Bergbau so gesegneten 16ten Jahrhunderte, da, nebst mehrern sehr reichen Anbrüchen von Silbererzen, dergleichen derbes Hornerz in Maßen von 100 und mehreren Pfunden gebrochen hat."
Bei der hier erwähnten Stufe dürfte es sich um das bereits im Jahr 1640 im Inverntar der kurfürstlich-sächsischen Kunstkammer in Dresden als "15 Mark 9 loth. Eine stufe glas erzt, leberfarbicht" aufgeführte Exemplar handeln. Es wurde um 1536 in der Grube Himmlisch Heer, Cunersdorf bei Annaberg gefunden und ist heute noch erhalten im Museum für Mineralogie und Geologie, Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen Dresden (Inv.-Nr. Min 3232 Sa MMG). Die Stufe ist heute noch 3060 g schwer bei 11,0 x 10,5 x 8,5 cm (THALHEIM, 2012, 2014).

Wie realistisch die Angabe zu Funden von Massen von über 100 Pfund durch KLAPROTH ist, lässt sich heute nicht mehr sagen. Carl HINTZE (1915) erwähnt ein 4 kg schweres Exemplar von der Grube Gotthelf Schaller in Johanngeorgenstadt und ein 10 kg schweres von Himmlisch Heer bei Annaberg. Mit der Verlagerung des Bergbaus aus der Oxidations- und Zementationszone in die primären Gangbereiche wird das Silberchlorid deutlich seltener gefunden und gerät nahezu in Vergessenheit. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts ist die Literatur über das Mineral sehr spärlich und die Beschreibungen gehen nicht über die Angaben von MATHESIUS hinaus.

In seinem Buch über das Probieren der Erze geht Lazarus ERCKER 1629 nur kurz auf das Silbermineral ein:
"Deßgleichen Horn Ertz / das ist durchsichtig wie ein Horn / unnd seynd beyde sehr Reich am Silber".

Auch in den Mineralsammlungen bzw. Naturalienkabinetten gibt es zu dieser Zeit offenbar nur wenige Belege, wie aus den publizierten Katalogen zu entnehmen ist. Der anonym 1683 herausgegebene Katalog des ein Jahr vorher verstorbenen Naturalien-, Kunst- und Büchersammlers Élie BRACKENHOFFER (1618-1682) aus Strasbourg im Elsass verzeichnet das Mineral:
"Minera argenti cornea, Horn-Silber-Ertz auß Meichsen"
Mit "Meichsen" ist nicht die Stadt, sondern das Fürstentum Meißen gemeint.

In dem Naturalienkabinett von Johann Jacob SPENER (???? - 1692), Professor für Physik und Mathematik an der Akademie zu Halle, findet sich nach dem von Johann Martin MICHAELIS 1693 veröffentlichten lateinisch/deutschen Katalog ein Exemplar des Minerals:
"Minera plumbi cum cornea Freibergensis" "Glantz mit Hornertz von der Gn. G. zu Freyberg"
Bei dem "Glantz" handelt es sich um Bleiglanz, wie aus der lateinischen Version ersichtlich ist. Mit "Gn. G." ist die Grube "Gnade Gottes" gemeint, die vom 17. bis zu Beginn des 18. Jahrhunderts in Falkenberg bei Freiberg bestand. Leider gibt MICHAELIS keine Beschreibung der Stufe.

In dem "Mineral- und Bergwercks-Lexicon" von 1743 von MINEROPHILO FREIBERGENSI (wahrscheinlich ein Pseudonym des Freiberger Lexikographen Johann Caspar ZEISIG) wird ersichtlich, dass das Mineral inzwischen recht selten geworden ist:
"Hornfarb-Silber, dergleichen hat ehemals zu Marienberg gebrochen, welches durchsichtig gewesen, und beym Lichte geschmoltzen."

Der Mediziner und Forschungsreisende Johann Ernst HEBENSTREIT führt in dem "Museum Richterianum" von 1743, dem Katalog der bedeutenden Mineraliensammlung des Leipziger Kaufmanns und Ratsherrn Johann Richter, eine Stufe
"Weiß Hornglaßerz, mit gelber lettiger Erde, von der Catharina, zu Johanngeorgenstadt. Tab. 4. No. 14.
Dergleichen Erz bricht sehr seltsam. Es ist sehr derb und geschmeidig, und so man dinne Schnittgen davon abschneidet, siehet es wie Horn aus."
HEBENSTREIT veröffentlicht in dem Buch eine Reihe von kolorierten Kupferstichen der beschriebenen Mineralstufen. Darunter befindet sich auch das hier erwähnte Exemplar "Hornglaßerz". Es handelt sich offenbar um die früheste Darstellung des Minerals.





Kupferstich mit einer Stufe Chlorargyrit (mitte unten) von der Grube Catharina, Johanngeorgenstadt, aus HEBENSTREIT (1743). Oben links Glaserz mit Silber, Grube Lazarus, Wolkenstein; oben rechts Glaserz vom Hohen neuen Jahres und Unverhofft Glück, Johanngeorgenstadt; Unten links und rechts, Glaserz von der Grube Catharina und der Grube Unverhofft Glück, Johanngeorgenstadt. Digitalisiert von Google Books. Im Original koloriert.



          Die ersten Mineralsystematiken

Der schwedische Naturforscher Carl LINNÆUS, später als Carl von LINNÉ bekannt, listet 1735 in seinem "Systema Naturæ", das eine Systematik des Mineral-, Pflanzen- und Tierreiches darstellt, das Silberchlorid neben dem gediegen Silber, dem Glaserz, dem Rotgültigerz und dem Weißgültigerz unter den Silbermineralen auf. Es ist durchscheinend rötlich, und schmilzt am Kerzenlicht:
" subdiaphanum rubescens, ad candelam liquesc. Miner. cornu col.. Hornmalm."
Eine etwas abweichende Formulierung findet sich in der Auflage von 1740, hier wird das Mineral nun als unregelmäßig und blättrig beschrieben:
" subdiaphanum, irregulare, lammelatum. Min. cornea. Hornmalm."
Das Zeichen steht für den Mond, das alchemistische Symbol für Silber. Malm ist die schwedische Bezeichnung für Erz. Weitere Angaben macht LINNÉ zu dem Mineral nicht.

1747 bezeichnet Johann Gottschalk WALLERIUS das Mineral in seinem Werk "Mineralogia, eller Mineralriket" als
"Argentum sulphure & arsenico mineralisatum, minera malleabili vitrea, candelæ igne liquabili".
WALLERIUS hält das Mineral für ein mit Schwefel und Arsen mineralisiertes Silber.

Im Jahre 1748 veröffentlicht Carl von LINNÉ eine ausführlichere Version seines "Systema Naturæ", kann aber hier auch nichts neues zu dem Mineral beitragen.


          Neue Funde in Johanngeorgenstadt

Nachdem das Mineral in Sachsen längere Zeit kaum gefunden oder beachtet wurde, trat es Ende des 17. Jahrhunderts in Johanngeorgenstadt in den Gruben Gabe Gottes, Römischer Adler und Catharina als weißes, grünes oder gelbes Glaserz in zum Teil beachtlichen Massen erneut auf, wie Christian Hieronymus LOMMER 1776 in seiner "Abhandlung vom Hornerze" berichtet. Erst 1766 gelangen dann wieder neue größere Funde auf der Grube Gotthelf Schaller, die die Aufmerksamkeit des Berghauptmanns Carl Eugen PABST VON OHAIN erregten. Hierzu schreibt LOMMER:
"Ob nun schon Johann-Georgenstadt eine Reihe von Jahre wirklich allein der Ort war, wo dieses Erz bemerket wurde, so war dennoch hierbey der Name Hornerz ganz unbekannt; man hielt dieses Erz für farbige Gattungen des Glaserzes: die besondere Untersuchung aber, welche der Herr Berghauptmann von Ohain im 1766sten Jahre über den allhiesigen Berg- und Grubenbau anzustellen hatten, gab Gelegenheit zu mehrerer Bekanntwerdung des Hornerzes. Eben dieses war die Zeit, wo auf dem Gotthelf Schaller Berggebäude, das erste und einzige weisse Hornerz, in cubischer Cristallisation vorkam; der hiesige Bergmann, welcher dieses Erz wegen seines Silbergehaltes und Geschmeidigkeit stets als ein weißes, grünes oder gelbes Glaserz benannte, wurde bey nun geschehener Vorzeigung belehret, wie solches eine besondere Erzgattung sey, welche Herr Berghauptmann Hornerz benennten; und dasselbe wegen seiner Seltenheit sehr der Aufmerksamkeit empfohlen ward. Gleichwie nun nach solcher Zeit das eingebrochene Hornerz gegen die Taxe an Liebhaber überlassen wurde, so war dieses die Gelegenheit zu der sodann mehreren Verbreitung und Bekanntwerdung des Namens Hornerz [...] wie die Menge der Mineraliensammler durch das eingebrochene Hornerz nicht zu befriedigen gewesen ... "
Kurz darauf wurde das Hornerz auch auf dem Cathariner Berggebäude in Raschau bei Schwarzenberg, der Grube Himmelsfürst in Brand-Erbisdorf bei Freiberg sowie in Kongsberg in Norwegen und in Sibirien gefunden. LOMMER beschäftigt sich recht ausführlich mit dem Aussehen und den Eigenschaften des Hornerzes und unterscheidet hier acht "Gattungen", die man heute nur noch als Farbvarietäten oder leicht verunreinigte Varianten betrachtet.
LOMMER bemerkt auch, dass das Hornerz nur in den oberen Teufen auftritt:
"Das Hornerz bricht blos in Gängen, und [...] nur in obern unbeträchtlichen Teufen. Bey dem Gotthelf Schallerer Berggebäude hat man bey Absinkung des neuen Tagschachts auf dem Bergmannsfreudnergang in drey bis vier Ellen tief unter dem Rasen und Oberfläche der Erde, fast gleich bey Anfang des festen Gesteins noch am Tageslicht diese reiche Erze erbrochen, und es hat dieser Gang bis in 10 Lachter Teufe unter der Oberfläche mit Hornerz und Schwärzen continuiret; bis endlich bey einem in 10 Lachter tief erlangten ebnen Geschicke, das Hornerz sich geendigt".





Bräunlicher massiver Chlorargyrit. Grube Segen Gottes, Gersdorf bei Freiberg, Erzgebirge, Sachsen, Deutschland. Größe der Stufe 3 cm. Sammlung und Foto Thomas Witzke.



          Die Eigenschaften des Minerals

Eine erste ausführlichere Beschreibung der Eigenschaften über die schon im 16. Jahrhundert bekannten Merkmale hinaus findet sich bei LOMMER 1776. Danach kann das Mineral in weißer, weißgrauer, violetter, apfelgrüner, gelbgrüner oder gelber Farbe auftreten. Die Kristallflächen sind mattglänzend fettig. Aus der Grube gebracht, überzieht sich das Hornerz an der Oberfläche mit einem violetten bis blauen Hauch. Weiter heißt es:
"Die Schwere des Hornerzes ist beträchtlich, und wo nicht drüber, doch dem Glaserze gleich. In Ansehung der Härte ist es ein geschmeidiger oder sehr ductiler Körper, so sich mit dem Messer wie Wachs schneiden und bearbeiten lässt."
Die Dichte des Minerals gibt Dietrich Ludwig Gustav KARSTEN 1807 mit 4,75 - 4,80 an. August BREITHAUPT (1832) findet einen Wert von 5,5 - 5,6 für Material von Peru und der Grube Katharina am Graul bei Schwarzenberg. Die alten Dichteangaben sind ohne Maßeinheit, beziehen sich aber auf Wasser = 1 und können deshalb ohne Umrechnung heute noch verwendet werden. BREITHAUPT liegt mit seinen Messungen exakt an der theoretischen Dichte von Chlorargyrit, die 5,57 g/cm3 beträgt.


          Chemische Untersuchungen

Dass es sich um ein Silbermineral handelt, schreibt schon AGRICOLA 1530. Näheres zur Zusammensetzung blieb jedoch über 200 Jahre lang unbekannt. Eine Vorstellung von der Zusammensetzung hat offenbar Johann Andreas CRAMER. In seiner "Elementa Artis Docimasticæ", der Anleitung zur Probierkunst von 1744 befasst er sich zwar nicht mit den natürlichen Vorkommen, jedoch kennt er aus den Verfahren zur Silberscheidung ein entsprechendes künstliches Material, das bei Verwendung unsauberer Chemikalien anfallen kann:
"Rarius calx antedicta facilius ad ignem fluens reperitur, quæ postea in Lunam Corneam abit, & Salem communem impuro Nitro, venali, ad destillationem Aquæ Fortæ adhibito, intermixtum fuisse testatur Confer."
In der deutschen Übersetzung von CRAMERs Werk durch Christlieb Ehregott GELLERT von 1746 heißt es dazu:
"Sehr selten findet man, daß vorgemeldeter Kalk im Feuer leichtflüßig ist, der hernach zu einer Luna Cornea (Hornsilber) wird, und anzeiget, daß in dem zum Scheidewasserbrennen gebrauchten gemeinen Salpeter gemeines Kochsalz mit beygemischt gewesen sey."
Die Bezeichnung Luna Cornea geht auf die alchemistische Symbolik für Silber = Mond bzw. Luna zurück.

Johann Gottschalk WALLERIUS ist 1747 der Ansicht, dass das Mineral 2/3 Silber, und daneben Schwefel und Arsen enthält. Ob der angebliche Schwefel- und Arsengehalt auf der Analyse von einem Gemenge beruht oder es sich um eine Fehlbestimmung handelt, lässt sich heute nicht mehr feststellen.
Nur wenig später, 1758, betrachtet Axel Frederic von CRONSTEDT es völlig korrekt als "Argentum Acido Salis solutum & mineralisatum", als ein salzsaures Silber, und bezeichnet es als "Hornertz. Minera Argenti Cornea". Als Fundort wird nur Johanngeorgenstadt in Sachsen genannt. Angaben zu einer Analyse gibt es nicht, so dass sich nicht sagen lässt, auf welcher Grundlage CRONSTEDT zu seiner Ansicht über die Zusammensetzung gelangt ist.

1774 veröffentlicht der in Petersburg tätige Naturforscher Erich G. LAXMANN seine Untersuchungen und kommt hier zu dem merkwürdigen Ergebnis, dass sowohl das sächsische als auch das sibirische Hornerz kein salzsaures Silber darstellen, sondern wie das Glaserz (= Akanthit/Argentit) durch Schwefel mineralisiert sind.

In seiner umfangreichen Abhandlung über das Hornerz von 1776 kann der sächsische Bergmeister Christian Hieronymus LOMMER dagegen die Ansicht von CRONSTEDT nach umfangreichen Analysen bestätigen:
"Nach seiner innern Beschaffenheit ist es ein durch das Salzsaure vererztes Silber, und besitzt eben diejenige flüchtige und übrigen Eigenschaften des chymischen Hornsilbers."
Nach seinen Untersuchungen an sorgfältig ausgesuchten Proben von weißem Hornerz aus Johanngeorgenstadt kommt LOMMER zu dem Ergebnis, dass "1 Mark Hornsilber 11½ Loth feines Silber" enthält. Dies entspricht einem Silbergehalt von 72 % und liegt damit recht dicht an dem theoretischen Wert. Im violetten Hornerz fand er einen etwas niedrigeren Silberanteil. Die Differenz zu 100 rechnet LOMMER jeweils dem "salzsauren Bestandtheil" zu, glaubt aber, in dem violetten Hornerz noch einen geringen Anteil "alcalisirten Schwefel" gefunden zu haben.

Der englische Chemiker Peter WOULFE untersuchte 1777 ebenfalls das Hornerz, ohne die Arbeit von LOMMER zu kennen. Von welchem Fundort das Material stammt, wird nicht erwähnt. Zu seinen Ergebnissen schreibt er:
"Diese Versuche also zeigen gar deutlich, daß das Hornerz aus Silber, Kochsalz- und Vitriolsäure besteht; und daß letztere beynahe ein Drittheil des erstern ausmachen."
(nach der deutschen Übersetzung von 1778). Die braune Farbe mancher Hornerze führt er auf Beimengungen von Eisenocker zurück, während das schwarze Hornerz "aus Hornsilber und geschwefeltem Silber" besteht.

Bei Untersuchungen von peruanischen Hornerz kommt Balthazar George SAGE 1786 zu dem Ergebnis, dass dieses Mineral maximal 70 - 74 % Silber enthält und durch Salzsäure mineralisiert ist, aber noch mit einer besonderen fettigen Materie verbunden sei.

Diese widersprüchlichen Ergebnisse bei der Untersuchung des Hornerzes durch verschiedene Autoren veranlassten den Chemiker Heinrich Martin KLAPROTH zu eigenen Analysen, die er kurz 1789 und ausführlicher 1795 veröffentlichte (siehe Tabelle). Für seine Untersuchungen stand ihm Material von einer großen, mehrere Pfund schweren Stufe aus dem sächsischen Erzgebirge im "churfürstlichen Mineralienkabinett zu Dresden" zur Verfügung (siehe oben, Inv.-Nr. Min 3232 Sa MMG). Ihm gelingt die erste komplette quantitative Analyse des Minerals, wenn auch an einer etwas verunreinigten Probe. Seine Ergebnisse liegen, nach Abzug der Verunreinigungen, sehr dicht an der tatsächlichen Zusammensetzung. KLAPROTH erkannte auch, dass das unter anderem von St. Andreasberg im Harz bekannte "Buttermilcherz" ein Hornerz "in erdichter Gestalt mit Thonerde gemengt" sei.

Dietrich Ludwig Gustav KARSTEN ist 1807 der Ansicht, dass es sich bei dem Hornerz in wesentlichen um ein Oxid handelt:
"Chemischer Gattungskarakter. Die Mischung besteht aus Silberoxyd und Salzsäure; im Verhältnis von 5 : 1."
Worauf sich der angebliche Sauerstoffgehalt begründet, wird nicht angegeben und lässt sich nur teilweise erklären. KARSTEN führt die Analyse von KLAPROTH an und rechnete diese unter Annahme von 6,75 % Sauerstoff um. In einer Analyse eines Hornerzes von Huantajayo in Peru werden 7,60 % Sauerstoff angegeben, aber auch das beruht nur auf einer Umrechnung.
Auch Jöns Jacob BERZELIUS hielt das Mineral für eine sauerstoffhaltige Verbindung, gibt aber ein völlig anderes Verhältnis von Silberoxyd zu Salzsäure an. 1814 führt er unter den "Salzsauren Verbindungen" das "Hornerz, Murias argenticus. Dieses ist AgO2 + 2 MO2." Muriatische Säure ist eine Bezeichnung von LAVOISIER für die Salzsäure, das 'M' in der Formel steht für Muriaticum oder Muriatine = Chlor.
Anzumerken ist, dass zu dieser Zeit die Zusammensetzung der Salzsäure unbekannt und unter den Chemikern sehr umstritten war und hier z.T. völlig konträre Ansichten vertreten wurden (siehe dazu WEHRLE, 1819). Weit verbreitet war die Ansicht, die Salzsäure besteht aus einer Verbindung von 1 Muriaticum (Chlor) mit 2 Sauerstoff.
Die bei KARSTEN angegebenen, auf einen vermeintlichen Sauerstoffgehalt umgerechneten Analysen finden eine recht weite Verbreitung in der Literatur und werden mehrere Jahrzehnte lang offenbar von einem Autor zum anderen übernommen, so z.B. von Johann Friedrich Ludwig HAUSMANN (1813), Ambrosius RAU (1818), Alois WEHRLE (1819), Robert JAMESON (1820), Friedrich MOHS (1824), Carl Cäsar von LEONHARD (1826), James Dwight DANA (1841) und weiteren. Als Quelle der Analysen wird jedoch immer nur KLAPROTH angeben, obwohl der gar keinen Sauerstoff in dem Material gefunden hatte.
Ambrosius RAU stellt 1818 für das Mineral die Formel "ArgH(+¼Fº)" auf, jetzt nicht mehr mit Silberoxid, aber wiederum mit anderem Verhältnis von Silber zu Salzsäure. RAU verwendet hier die völlig in Vergessenheit geratene Formelschreibweise von SCHUBERT, hier bedeutet Arg = Silber, H = Salzsäure (was nichts mit Wasserstoff zu tun hat, sondern von Halogen abgeleitet ist, und für 1 Muriaticum + 2 Sauerstoff steht), Fº = Eisenoxid (Fe2O3).

LEONHARD schreibt 1826, dass BERZELIUS (ohne nähere Quellenangabe) für das Mineral die Formel als "AgCh" aufgestellt hat. Das "Ch" ist ein altes Symbol für Chlor. Damit wäre er der erste, der die korrekte Formel aufgestellt hat. Merkwürdig und widersprüchlich ist dann die Angabe von BERZELIUS von 1828: "Chlorsilber, AgCl, salzsaures Silberoxyd, Hornsilber." Der Querstrich in dem Cl bedeutet eine Verdoppelung, also ein Verhältnis von Ag : Cl von 1 : 2. In der Formel taucht kein Sauerstoff auf, obwohl er es als Silberoxid bezeichnet.
Ein ganz anderes Verhältnis von Silber zu Chlor findet sich dagegen bei Jean GIRARDIN & Henri LECOQ 1837: "Formée de 1 atome d'argent et de 4 atomes de chlore = AgCh4." Auch LEONHARD zitiert 1833 wieder die alte Analyse von KLAPROTH ohne Sauerstoff, verzichtet aber auf die Angabe einer Formel.
Erst gegen Mitte des 19. Jahrhunderts setzte sich schließlich die Erkenntnis durch, dass es sich bei dem Mineral um ein einfaches Silberchlorid handelt, und die Formel AgCl wird allgemein akzeptiert.


          Die Kristallform des Minerals

Als Kristallform gibt Jean-Baptiste Luis ROMÉ DE L'ISLE 1772 für das Mineral nur einfache Würfel (aus Johanngeorgenstadt) an, daneben auch tafelige und säulige Formen. Christian Hieronymus LOMMER führt 1776 ebenfalls Würfel neben diversen derben Ausbildungen an und gibt auch eine Zeichnung einer aus lauter Kristallen aufgebauten Stufe. Friedrich MOHS (1824) beschreibt als einfache Formen Würfel, Oktaeder und Rhombendodekaeder sowie Kombinationen von Würfel und Oktaeder bzw. Würfel und Rhombendodekaeder. Andere Formen sind offenbar sehr selten.

Chlorargyrit weist eine Halit-Struktur auf und kristallisiert dementsprechend in der kubischen Raumgruppe Fm3m. Für die Elementarzelle bestimmte DAVEY (1922) den Gitterparameter a = 5,52 Å, BARTH & LUNDE (1925) fanden a = 5,545 Å und WYCKOFF (1963) a = 5,47 Å.


          Vom Hornerz zum Chlorargyrit

Der alte Name Hornerz für das Mineral ist seit Jahrhunderten sehr verbreitet. Die Angabe von LOMMER (1776) und KLAPROTH (1795), dass dieser Name durch Carl Eugen PABST VON OHAIN um 1766 aufgestellt wurde, ist nicht zutreffend, wie seine Verwendung schon 1629 durch Lazarus ERCKER in seinem speziell auch für Bergleute verfassten Buch über das Probieren der Erze sowie 1693 in einem Sammlungskatalog durch Johann Martin MICHAELIS belegen. Auch in dem "Systema Naturæ" bei Carl von LINNÉ von 1748 findet er sich bereits. ROMÉ DE L'ISLE nutzt 1772 die französische Übersetzung "Mine d'argent cornée". Jené-Just HAÜY führt das Mineral als "argent muriaté", nach der alten Bezeichnung für die Salzsäure. Gustav KARSTEN teilt 1807 die "Silbergattung Hornerz" in vier Arten ein, in "Muschlichtes Hornerz", "Strahliges Hornerz", "Gemeines Hornerz" und "Thoniges Hornerz (Buttermilcherz)". Diese Unterteilung, die nur auf morphologischen Unterschieden oder Beimengungen beruht, wurde zwar von einigen Autoren in der Folge übernommen, traf aber damals schon auf Kritik.

Johann Friedrich Ludwig HAUSMANN (1813) greift die schon von GELLERT 1746 in der Übersetzung von CRAMERs Werk verwendete Bezeichnung "Hornsilber" auf. Bei August BREITHAUPT (1823) findet es sich als "Silber-Hornerz". Friedrich MOHS (1820) führt das Mineral als "Hexaedrisches Perl-Kerat", was BREITHAUPT 1832 in "Hexaëdrisches Silber-Kerat" abwandelt. Carl Friedrich NAUMANN (1828) bezeichnet es einfach als "Chlorsilber", GLOCKER als "Silberhornspath", "Chlorsilberspath", "Silberspath" trotz fehlender Spaltbarkeit und 1847 schließlich als "Argyroceratites". Neben dem englischen "Horn Silver" verwendet James Dwight DANA 1844 eine von der LINNÉschen binomialen Nomenklatur beeinflusste Bezeichnung, "Ceratus cubicus". Ähnliche, von griechisch κερας (keras) = Horn und αργυρος (argyros) = Silber abgeleitete Bezeichnungen wie "Kerargyre" finden sich bei François Sulpice BEUDANT (1832), oder "Kerargyrite" bzw. "Cerargyrite" bei DANA (1855 und 1868). Den heute gebräuchlichen Namen Chlorargyrit nach der chemischen Zusammensetzung führte Albin WEISBACH 1875 ein.

International setzte sich jedoch zunächst die Bezeichnung Cerargyrit durch (PRIOR & SPENCER, 1902). Dieser Name ist allerdings etwas irreführend, da er an das Element Cer erinnert. Erst 1962 stimmte die Commission on New Minerals and Mineral Names der International Mineralogical Association über die Namen Cerargyrit und Chlorargyrit ab und entschied sich für Chlorargyrit.




Chemische Analyse von Chlorargyrit (in Masse-%)

    Komponenten nach  
  KLAPROTH, 1795  
 
  Hornerz,
  Johanngeorgenstadt  
  (LOMMER, 1776)  
  Hornerz,
  Erzgebirge
  (KLAPROTH, 1795)  
  Chlorargyrit,
  theoretische
  Zusammensetzung     
  Ag   Silber   72   67.75 2)   75.27
  Cl   Salzsäure   28 1)   21.0 2)   24.73
  Fe2O3   Eisenerde       6.0  
  Al2O3   Thonerde       1.75  
  SO3   Schwefelsäure       0.25  
  Summe       100   96.75 100.00

1) Differenz zu 100 als "salzsaurer Bestandtheil" im weißen Hornerz angenommen, im violetten Hornerz noch ein geringer Anteil "alcalisirten Schwefel"
2) nach Abzug der Verunreinigungen und Hochrechnung auf 100 % ergibt sich Silber 76.34 und "Salzsäure" 23.66



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Hellbräunliche Kristalle von Chlorargyrit. Grube St. Georg, Schneeberg, Erzgebirge, Sachsen. Bildbreite 7 mm. Sammlung und Foto Thomas Witzke.




© Thomas Witzke

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