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Freitalit Formel: C14H10, monoklin Typlokalität: Halde der Steinkohlengrube Königin Carola-Schacht (Paul-Berndt-Grube), Freital, bei Dresden, Sachsen Erstbeschreibung: WITZKE, T.; SCHREYER, M.; BRANDES, B.; CSUK, R. & PÖLLMANN, H. (2021): Freitalite, C14H10, a new aromatic hydrocarbon mineral from Freital, Saxony, Germany.- European Journal of Mineralogy 33, 1-8 ![]() Violette Blättchen von Freitalit auf Schwefel. Halde der Steinkohlengrube Königin Carola-Schacht (Paul-Berndt-Grube), Freital, bei Dresden, Sachsen. Bildbreite 9 cm. Sammlung und Foto Thomas Witzke. Die Entdeckung des Minerals Nordwestlich des Bahnhofs Freital-Deuben und nördlich des ehemaligen Stahlwerkes liegt an der Schachtstraße in Freital die Halde der ehemaligen Steinkohlengrube Königin-Carola-Schacht. 1987 und 1988 konnte der Autor dieser Homepage, Thomas WITZKE, auf der Halde ein ungewöhnliches Mineral in violettweißen bis intensiv violetten Blättchen finden. Die Blättchen erreichten bis mehrere Millimeter und selten auch fast 1 cm Größe. Nach ersten Untersuchungen erwies sich das Material recht schnell als ein bisher unbekanntes organisches Mineral, C14H10, identisch mit dem aromatischen Kohlenwasserstoff Anthracen. Die weitere Untersuchung dieses Minerals sowie generell der Mineralogie der Halde wurde schließlich ein wesentlicher Bestandteil der Diplomarbeit des Autors (WITZKE, 1990). Nicht abzusehen war jedoch zu dieser Zeit, dass es bis zur Anerkennung als neues Mineral durch die IMA noch 30 Jahre dauern sollte. Die ersten Untersuchungen Eine erste, nicht lange nach dem Fund vorgenommene röntgendiffraktometrische Analyse stimmte sehr gut mit den Daten von Anthracen überein. Durch eine Infrarot-Spektroskopie konnte dies bestätigt werden. Auch hier zeigte sich eine sehr gute Übereinstimmung mit dem Spektrum von Anthracen. Visuell war das Material von Freital sehr ähnlich einigen als Kratochvilit bezeichneten Stufen von Libušin bei Kladno, Tschechische Republik. Kratochvilit war als C13H10, identisch mit dem aromatischen Kohlenwasserstoff Fluoren, durch Rudolf ROST 1937 als Neubildung auf den brennenden Halden der Steinkohlengruben Max und Schoeller in Libušin bei Kladno beschrieben worden. Die Typexemplare im Nationalmuseum in Prag sind während der deutschen Besetzung Ende der 1930er Jahre verloren gegangen. Es gab jedoch noch weitere, von ROST etwas später zur Verfügung gestellte und als Kratochvilit bezeichnete Proben in der Sammlung. Material von einer dieser Kratochvilit-Proben (Nr. 30345), von Libušin bei Kladno, wurde freundlicherweise von Dr. Jaroslav ŠVENEK (†) für eine Analyse zur Verfügung gestellt. An dem Material von Freital, einer Probe 'Kratochvilit' von Libušin bei Kladno sowie an Material von der 'Kratochvilit'-Probe von ROST aus dem Nationalmuseum Prag wurden chromatografische Analysen durchgeführt (HPLC, high performance liquid chromatography). Als Referenzmaterialien wurden synthetisches Anthracen (C14H10), Phenanthren (C14H10), Fluoren (C13H10) und Anthrachinon (C14H8O2) verwendet. Die Probe von Freital, die später eine der beiden Cotyp-Exemplare von Freitalit werden sollte, wies eine Zusammensetzung von 98,3% Anthracen, 0,4% Phenanthren, 0,1% Fluoren und 1,2% nicht identifiziert (vielleicht Dianthracen) auf. Eine sehr ähnliche Zusammensetzung zeigte die Probe von Libušin: 97,1% Anthracen, 0,6% Phenanthren und 1,8% nicht identifiziert. Die Probe 'Kratochvilit' aus dem Nationalmuseum Prag erwies sich als Mischung aus Anthracen und Phenanthren im Verhältnis nahe 1 : 1, aber mit leichter Dominanz von Anthracen, sowie Spuren von Fluoren (WITZKE, 1990). Eine Redefinition von Kratochvilit? Da sich die Probe von ROST aus dem Nationalmuseum Prag als leicht Anthracen-dominant, und eine in jüngerer Zeit gefundene und als 'Kratochvilit' bezeichnete Probe Anthracen mit nur geringen Verunreinigungen darstellte, erschien eine Redefinition von Kratochvilit als C14H10, Anthracen statt Fluoren, sinnvoll. Auch das Material von Freital wurde deshalb zunächst als Kratochvilit bezeichnet (WITZKE, 1990). Die Redefinition wurde jedoch von der Commission on New Minerals and Mineral Names der International Mineralogical Association (CNMMN der IMA) nicht akzeptiert, unter anderem mit der Begründung, dass seit Beginn der 1990er Jahre Phasen, die auf brennenden Halden gebildet wurden, nicht mehr als Minerale anerkannt werden und das eigentliche Typmaterial nicht untersucht wurde (Ernest H. Nickel, persönliche Mitteilung, 1991). In einer Zusammenstellung der Minerale des Döhlener Beckens wurde das Material von Freital deshalb nur als Anthracen, ohne Mineralnamen geführt (THALHEIM et al., 1991). Erst 1998 wurde die offenbar schon seit einigen Jahren in der Commission on New Minerals and Mineral Names der IMA intern angewendete Entscheidung, "as a general rule, products of combustion are not to be considered minerals in the future", offiziell publiziert (NICKEL & GRICE, 1998). Als eine Begründung wurde angegeben, dass eine menschliche Beteiligung bei der Entstehung der Brände nicht ausgeschlossen werden kann. Die Entscheidung galt jedoch nicht rückwirkend, alles, was vorher als Mineral von einer brennenden Halde beschrieben wurde, galt weiterhin als Mineral. Das betraf zum Beispiel Kratochvilit, Efremovit, Bazhenovit oder Laphamit und einige weitere Minerale. Die Entscheidung der IMA hatte zwei kuriose Folgen: einmal entschied nun ein nicht sehr wissenschaftliches Kriterium, ein Datum, über die Frage, ob etwas ein Mineral ist oder nicht, und zum zweiten konnten nun auf einer Stufe nebeneinander vorhandene, unter den gleichen Bedingungen gebildete Verbindungen teilweise Minerale und teilweise keine Minerale sein. Diese Situation rief einige Kritik an der Entscheidung hervor (z.B. WITZKE, 1997). Für das Anthracen von Freital hatte die Entscheidung die Folge, dass es nun nicht mehr als neues Mineral eingereicht werden konnte. Es sollte mehrere Jahrzehnte dauern, bis sich die Situation änderte. Die zweite kristalline Form von C14H10, das isomer Phenanthren, ist dagegen noch als Mineral unter dem Namen Ravatit anerkannt worden. Es stammt von Ravat, Tadzhikistan, allerdings nicht von einer brennenden Halde, sondern hat sich als Sublimationsprodukt an einem seit der Antike brennenden Kohleflöz gebildet (NASDALA & PEKOV, 1993). Haldenbrandbildungen als Minerale Selbsterhitzung und spontane Entzündung von Steinkohlehalden, aber auch von Braunkohle, Torf oder kohlenstoffreichen Schiefern ist ein lange bekannter und recht gut untersuchter Prozess. Auch sehr lange bekannt ist, dass es hier zur Neubildung von Mineralen kommt. Die wahrscheinlich erste explizite Mitteilung über Mineralbildungen bei einem Brand einer Steinkohlengrube stammt von Lucas HODGSON 1676. Er berichtet über Salmiak und Schwefel in einer brennenden Grube in Newcastle und geht auf Ähnlichkeiten bzw. Unterschiede zu vulkanischen Bildungen ein, speziell vom Ätna. Der wachsende Bedarf an Steinkohle durch die beginnende Industrialisierung führte zu einer Intensivierung des Steinkohlenbergbaus, und in Folge auch zum vermehrten Auftreten von Gruben- und Haldenbränden. Bereits 1782 berichtet MORAND über zahlreiche Brände und beschäftigt sich mit der Selbstentzündung der Kohle, mit Mineralen wie Schwefel, Vitriol, Alaun oder Salmiak, die sich durch Sublimation oder als Ausblühung bilden, und er merkt auch die Ähnlichkeiten zu Vulkanen an. In der Folgezeit erschienen eine Reihe von Publikationen zu Mineralbildungen auf brennenden Halden. Aus zahlreichen Untersuchungen ist bekannt, dass komplexe Prozesse für die Erhitzung und Selbstentzündung verantwortlich sind. Erwähnt werden sollen hier nur als einige aktuelle Beispiele die Arbeiten von NELSON & CHEN (2007), ONIFADE and GENC (2018), SÝKOROVÁ et al. (2018), STRACHER et al. (2010 und 2015), auch unter Verweis auf die weiterführende Literatur darin. Zu den Voraussetzungen der spontanen Selbstentzündung gehören unter anderem das Vorhandensein von organischem Material und möglichst auch von Pyrit oder Markasit, eine ausreichende Sauerstoffzufuhr, Wasser und eine Wärmeproduktion, die größer sein muss als die Wärmeabfuhr über die Haldenoberfläche. Auch die Kohlen-Lithologie spielt eine Rolle. Im Anfangsstadium der Brandentstehung führen exotherme Prozesse wie Adsorption von Sauerstoff an Kohle (bis etwa 50°C) und chemische Oxidation von Kohlenstoff zu einer Temperaturerhöhung. Ein weiterer wärmeliefernder Prozess ist die Oxidation von Sulfiden, speziell von Pyrit und Markasit. Die rein chemische Sulfidoxidation spielt bei normalen Umgebungstemperaturen und pH unter 4 fast keine Rolle (KLEINMANN & CREAR, 1979). Dafür ist jedoch die biologische Pyritoxidation durch Bakterien und Archaea ein recht effektiver Prozess. Steigen die Temperaturen über den Aktivitätsbereich der Mikroorganismen, findet nur noch eine chemische Sulfidoxidation statt. Der für die wärmeliefernden Prozesse nötige Sauerstoff wird durch den Winddruck bei den oft exponiert liegenden Halden und die thermische Konvektion der erwärmten Luft in den Halden zugeführt. Durch die übliche Schüttung der Halden von oben sammelt sich gröberes Material unten und feinkörniges oben. Dadurch wird die Wärmeabgabe aus der Halde eingeschränkt und die Temperatur in der Halde steigt langsam immer weiter an. Die Reaktionsrate bei der Oxidation von organischer Substanz und Sulfiden steigt mit zunehmender Temperatur etwa exponentiell an. Bei einer Temperatur um 100 - 140°C kann sich Steinkohle spontan entzünden und bei unzureichender Sauerstoffzufuhr zu einem lang anhaltenden Schwelbrand bei 150 bis 500°C führen. Bei einer besseren Sauerstoffzufuhr kann die Temperatur 1000°C übersteigen und Gesteine aufschmelzen. Neben der pyrometamorphen Gesteinsveränderung kommt es durch den Brand zur Freisetzung von verschiedenen Gasen wie H2O, CO, CO2, SO2, SO3, SeO2, H2S, H2Se, HCl, HBr, HF, NH3, S, Se, SiF4, MoO3, aromatische Kohlenwasserstoffe und anderen. Durch Pyrometamorphose, Sublimation, Reaktion von Gasen untereinander oder mit den Gesteinen auf der Halde (Metasomatose) sowie der Einwirkung saurer Lösungen auf die Gesteine können zahlreiche Minerale gebildet werden (WITZKE et al., 2015; SÝKOROVÁ et al., 2018). Der menschliche Einfluss auf die Bildung der Minerale beschränkt sich auf das Anlegen der Halden oder Gruben und ist damit vergleichbar z.B. mit Verwitterungsbildungen auf Halden des Erzbergbaus. An der Entstehung des Brandes ist der Mensch nur in Ausnahmefällen beteiligt, während die spontane, natürliche Selbstentzündung ein weit verbreiteter Prozess ist. Nach 30 Jahren: eine neue Chance für das Anthracen Auch nach dem Beschluss der Commission on New Minerals and Mineral Names der IMA sind noch einige offenkundig bei Gruben- oder Haldenbränden entstandene Verbindungen als Minerale anerkannt worden. Das betrifft zum Beispiel Mikasait, Fe2(SO4)3, der sich aus Gasen eines Grubenbrandes bei Ikushunbetsu, Mikasa City, Sorachi, Hokkaidō Präfektur, Japan, gebildet hat (MIURA et al., 1994) sowie Ammoniomagnesiovoltait, (NH4)2Mg5Fe3+3Al(SO4)12·18H2O, von der Kohlengrube bei Pécs-Vascas, Ungarn (SZAKÁLL et al., 2012) und Kollerit, (NH4)2Fe3+(SO3)2(OH)·H2O, von der gleichen Fundstelle (FEHÉR et al., 2019). Schließlich wurde bei der inzwischen umbenannten Commission on New Minerals, Nomenclature and Classification (CNMNC) der IMA ein Antrag eingereicht, Brandbildungen wieder als Minerale anzuerkennen, sofern der Mensch den Brand nicht ausgelöst hat und kein anthropogenes Material an der Entstehung beteiligt ist. Dieser Antrag wurde nach längerer Diskussion angenommen, unter anderem unter Bezug auf die oben genannten Probleme, die die ursprüngliche Entscheidung zur Folge hatte und die Inkonsequenz bei der Anerkennung einiger Brandminerale trotz gegenteiligen Beschlusses (PARAFINIUK & HATERT, 2020). Damit ergab sich auch eine Chance, über 30 Jahre nach dem Fund auf der Halde in Freital, das Anthracen als neues Mineral bei der IMA einzureichen und anerkennen zu lassen. Aus Anthracen wird das neue Mineral Freitalit Unmittelbar nachdem die IMA beschlossen hatte, Haldenbrandbildungen wieder anzuerkennen, wurde aus den alten Daten von 1990 und 1991 sowie neuen Untersuchungen schließlich durch Thomas WITZKE, Martin SCHREYER, Benjamin BRANDES, René CSUK und Herbert PÖLLMANN eine komplette Charakterisierung des Minerals erstellt, die den aktuellen Kriterien an eine Akzeptanz entsprach. Anthracen fand sich auf der Halde des Königin Carola-Schachtes in Freital in Form dünner Blättchen mit meist unregelmäßigem Umriss, die üblicherweise bis wenige Millimeter Größe erreichen und oft gebogen sind. Nur sehr selten fanden sich Blättchen bis etwa 1 Zentimeter Abmessung. Die dominierende Form ist {001}. Gewöhnlich sind die größeren Blättchen aus verschiedenen Kristallen in verschiedener Orientierung parallel (001) aufgebaut. Die Dicke von kleinen Einkristallen liegt bei etwa einem Mikrometer. Das Mineral zeigt eine intensiv violette oder weißlich-violette bis weiße Farbe auf. Der Strich ist weiß, die Härte liegt bei 1 und die Blättchen zeigen einen Glas- bis Perlmuttglanz. Dünne Kristalle sind durchsichtig, größere Blättchen durchscheinend. Im kurz- und langwelligen ultravioletten Licht (254 und 366 nm) zeigt sich eine intensive bläulich-weiße Fluoreszenz. Durch Flotation in Natriumpolytungstat-Lösung wurde eine Dichte von 1,240 g/cm3 bestimmt. Bereits 1990 wurde an dem natürlichen Material ein Brechungsindex von α = 1,57 in weißem Licht gemessen. Einzelkristalle waren zu dünn um einen Wert für β zu erhalten. Größere Blättchen weisen eine uneinheitliche Dicke auf und bestehen aus Kristallen verschiedener Orientierung und sind deshalb zur Messung nicht geeignet. Der Wert für γ liegt außerhalb des Bereiches gängiger Brechungsflüssigkeiten. Im Durchlicht ist das Mineral farblos, X = Z ohne Pleochroismus. Für synthetisches Material finden sich in der Literatur die Werte α = 1,56, β = 1,80 und γ = 2,19, 2V = 87° (gemessen) und 89° (berechnet), Y = b, Z / a = 28° (OBREIMOV et al., 1948; COLOMBO & MATHIEU, 1960). Die chromatografische Analyse (High Performance Liquid Chromatography, HPLC), die eindeutig zeigte, dass es sich um Anthracen handelt, wurde eingangs bereits behandelt. An einer Cotyp-Probe wurde eine Gaschromatographie/ Massenspektrometrie-Analyse (GC-MS) durchgeführt. Das gemessene Spektrum entsprach vollständig dem von synthetischem Antracen. Dass es sich um C14H10 handelt, wurde auch durch eine Elementanalyse mit einem Foss-Heraeus Vario EL Instrument (C-HNS) bestätigt, die im Rahmen der neuen Untersuchungen durchgeführt wurde. Die Ergebnisse sind in der Tabelle unten dargestellt. Aus den Analysen ließ sich eine empirische Formel C14.00H9.88 berechnen, basierend auf C = 14. Das liegt sehr dicht an der idealen Zusammensetzung. Das Infrarot-Spektrum (Transmission, mit KBr-, NaCl- und LiF-Prismen) wurde bereits 1990 an einer Cotyp-Probe gemessen (WITZKE, 1990). Auch dieses Spektrum entsprach dem von Anthracen und ist sehr leicht von dem von Phenanthren zu unterscheiden. Bereits publiziert war auch das Raman-Spektrum (NASDALA et al., 1993), das ebenfalls an Material eines Cotyps gemessen wurde. Es ergab eindeutig, dass hier Anthracen vorlag. Für die Einreichung des Minerals neu gemessen wurden die 1H und 13C NMR-Spektren. Auch diese stimmten perfekt mit denen von synthetischem Anthracen und Spektren-Simulationen überein. Einige schwache Signale wiesen auf leichte Verunreinigungen hin. Auch wenn die alten Röntgenpulverdaten (WITZKE, 1990) schon mit Anthracen übereinstimmten, wurden für den Vorschlag an die IMA noch neue Daten in besserer Qualität gewonnen. Dazu wurde das Mineral in einer Kapillare präpariert um eine möglichst texturarme Probe zu erhalten und mit CuKα-Strahlung auf einem Empyrean-Diffraktometer (Malvern Panalytical) gemessen. Aus den neuen Daten wurden die Gitterparameter für eine monokline Zelle mit a = 8,5572(9), b = 6,0220(5), c = 11,173(1) Å, β = 124,174(1)° und V = 476,34(3) Å3 durch einen Pawley-Fit erhalten. Auf der Basis der empirischen Formel und Z = 2 ergibt sich eine berechnete Dichte von 1,242 g/cm3, die sehr dicht an dem gemessenen Wert liegt. Die Kristallstruktur von Anthracen ist schon sehr lange bekannt. Die lineare und planare Anordnung der Benzen-Ringe im Molekül sowie dessen Positionierung in der Zelle wurde bereits von ROBERTSON 1933 bestimmt. Er fand eine monokline Zelle, Raumgruppe P21/a, mit den Parametern a = 8,58, b = 6,02, c = 11,18 Å, β = 125° und Z = 2. Neubestimmungen und Verfeinerungen wurden von MATHIESON et al. (1950), SINCLAIR et al. (1950), CRUICKSHANK (1956) und MASON (1964) vorgenommen. Die Raumgruppe wird üblicherweise als P21/a angegeben um eine bessere Vergleichbarkeit mit den Daten des Isomers Phenanthren zu erhalten. Gelegentlich findet sich aber auch die Standardaufstellung P21/c, mit a = 9,463, b = 6,026, c = 8,550 Å, β = 103,57°, V = 473,94 Å3 und Z = 2 (WANG, 1978). Die neu gewonnenen Röntgenpulverdaten des Freitaler Materials erlaubten eine Rietveld-Verfeinerung. Dazu wurde die Struktur von MASON (1964) verwendet. Auch hier zeigte sich eine perfekte Übereinstimmung mit Anthracen. Einige winzige Peaks wiesen auf eine leichte Verunreinigung hin. Mit den alten und neuen Analysen lagen ausreichen Daten vor, um den Freitalit als neues Mineral Ende 2019 durch die oben genannten Autoren bei der Commission on New Minerals, Nomenclature and Classification (CNMNC) der IMA einreichen zu können. Der Vorschlag erhielt die Nummer 2019-116. Anfang 2020 wurden das Mineral und der Name offiziell anerkannt. Die komplette Beschreibung wurde durch WITZKE et al. (2021) publiziert. ![]() Der Bereich mit der Fundstelle von Freitalit auf der Halde der Grube Königin Carola-Schacht (Paul-Berndt-Grube) in Freital bei Dresden, Sachsen, im Jahr 1988. Foto Thomas Witzke (eingescanntes Diapositiv). Die Typlokalität von Freitalit Die Typlokalität von Freitalit ist die Halde der ehemaligen Steinkohlengrube Königin Carola-Schacht (51.00277°N, 13.63827°E). Die Halde lag nordwestlich des Bahnhofs Freital-Deuben und nördlich des ehemaligen Stahlwerkes an der Schachtstraße. Das Mineral fand sich hier nur über einen recht kurzen Zeitraum 1987 bis 1988. Der Schacht I der Grube wurde 1872 abgeteuft und 1876 der Schacht II, der in 75 Metern davon liegt. Die Schächte erreichten eine Teufe von 414,8 bzw. 424,3 Metern. 1948 erfolgte die Umbenennung in Paul-Berndt-Grube. 1960 wurde die Grube stillgelegt (GÜRTLER & GÜRTLER, o.J.). Der ursprüngliche Name der Grube blieb jedoch sehr populär, meist in der Kurzform Carola-Schacht. Die Halde der Grube geriet um 1960 durch spontane Selbstentzündung in Brand. 2014 wurde die Halde saniert und rekultiviert und der Brand gelöscht. Seitdem bestehen keine Fundmöglichkeiten mehr. Auf der Halde finden sich die Nebengesteine der Kohle wie Schiefer, Sandstein und Konglomerat sowie noch etwas Restkohle, oft eng mit dem Nebengestein verwachsen und deshalb nicht verwertbar. Die Kohle ist generell reich an Sulfiden. Der Schwefelgehalt in der normalen Kohle liegt in dem Bereich von 2 - 5 %, aber kann in einigen Lithotypen bis zu 30 % erreichen (27 % sulfidisch als Pyrit). Sehr pyritreiche Kohle zeigt bereits nach wenigen Tagen an der Luft starke Oxidationseffekte (REICHEL, 1984). Freitalit fand sich auf der Halde zusammen mit Schwefel und selten mit Hoelit (Anthrachinon, C14H8O2) in Fumarolen und exhalativen Bereichen etwa 5 - 40 cm unter der Haldenoberfläche in einem Temperaturbereich von 20 - 70°C. Meist sitzt Freitalit auf Schwefel, gelegentlich wird er aber auch von Schwefel überwachsen. Das Mineral ist durch Pyrolyse von Kohle unter niedrigem Sauerstoff-Angebot und anschließender Sublimation aus der Gasphase gebildet worden. Auf der Halde konnten als Brandbildung weiterhin Selen, Salmiak, Godovikovit, Mascagnit, Anhydrit, Alunogen, Halotrichit, Tschermigit, Voltait, Tamarugit, Gips, Copiapit, Metavoltin (WITZKE, 1990), Letovit und Ravatit (WITZKE 1995), Sabieit und Pyracmonit gefunden werden. Als weitere Fundstelle für den Freitalit ist Libušin bei Kladno, Tschechische Republik, zu erwähnen. Die zwei Cotyp-Exemplare von Freitalit vom Königin Carola-Schacht befinden sich in der Mineralogischen Sammlung der TU Bergakademie Freiberg unter den Nummern MiSa72396 und MiSa84590. Vergleich der Daten von Freitalit (Anthracen) und Ravatit (Phenanthren)
Chemische Analyse von Freitalit (in Masse-%)
Literatur: COLOMBO, L. & MATHIEU, J.-P. (1960): Propriétés optiques et spectres de diffusion des cristaux d'anthracène.- Bull. Soc. franç. Min. Crist. 83, 250-254 CRUICKSHANK, D.W.J. (1956): A detailed refinement of the crystal and molecular structure of anthracene.- Acta Crystallographica 9, 915-923 FEHÉR, B.; SAJÓ, I.; KÓTAI, L., SZAKÁLL, S.; ENDE, M.; EFFENBERGER, H.; MIHÁLY, J. & SZABÓ, D. (2019): Kollerite, IMA 2018-131. CNMNC Newsletter No. 48, April 2019, p. 315.- Mineralogical Magazine 83, 315-317 GÜRTLER, E. & GÜRTLER, K. (ohne Jahr, ca. 1984): Der Steinkohlenbergbau im Döhlener Becken Teil II.- Museumsschriften 6, Haus der Heimat Freital HODGSON, L. (1676): A Letter written by D. Lucas Hodgson, Physician at Newcastle, containing some Observations made by him of a Subterraneal Fire in a Coal-mine near that City.- Philosophical Transactions 11, 762-766 MASON, R. (1964): The crystallography of anthracene at 95°K and 290°K.- Acta Crystallographica 17, 547-555 MATHIESON, McL.; ROBERTSON, J.M. & SINCLAIR, V.C. (1950): The crystal and molecular structure of anthracene. I. X-ray measurements.- Acta Crystallographica 3, 245-250 MIURA, H.; NIIDA, K. & HIRAMA, T. (1994): Mikasaite, (Fe3+,Al)2(SO4)3, a new ferric sulphate mineral from Mikasa city, Hokkaido, Japan.- Mineralogical Magazine 58, 649-653 MORAND (1781): Sur les montagnes ou mines de charbon de terre, embrasées spontanément.- Histoire de L'Académie Royale des Sciences. Paris, de l'Imprimerie Royale, p. 169-227 NASDALA, L. & PEKOV, I.V. (1993): Ravatite, C14H10, a new organic mineral species from Ravat, Tadzhikistan.- European Journal of Mineralogy 5, 699-705 NASDALA, L.; PEKOV, I.V. & WITZKE, T. (1993): Raman investigation of naturally occurring C14H10.- Chemie der Erde 53, 59-69 NELSON, M.I. & CHEN, X.D. 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