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Lagalyit


Formel: Ca2xMn4+1-xO2·1,5-2 H2O (mit x = 0,05 - 0,08), monoklin

Typlokalität: Grube Christbescherung, Großvoigtsberg bei Freiberg, Sachsen und Grube Aufgeklärt Glück, Hasserode bei Wernigerode, Harz, Sachsen-Anhalt

Erstbeschreibung:
WITZKE, T.; PÖLLMANN, H.; GARDOLINSKI, J.E.F.C. & SOMMARIVA, M. (2017): Lagalyite, IMA 2016-106. CNMNC Newsletter 36 (4), 406, Mineralogical Magazine 81, 403-409




Feucht aufbewahrter, voll hydratisierter Lagalyit. Grube Christbescherung, Großvoigtsberg bei Freiberg, Erzgebirge, Sachsen. Größe der Stufe 7 x 5,5 cm. Sammlung und Foto Thomas Witzke.



       Die ersten Funde eines neuen Phyllomanganates

Im Zeitraum 1995/1996 konnte während Sicherungsarbeiten an der Grube Aufgeklärt Glück, Hasserode, Harz, Sachsen-Anhalt, durch Thomas WITZKE ein Manganmineral gefunden werden, das nur ein recht schlechtes Röntgendiagramm mit wenigen Peaks lieferte. Das Material stammte aus einer oberflächennahen Strecke von 1795, die vom Bergmanns Hoffnung Schacht abging, Die Röntgendaten waren sehr ähnlich dem nur sehr unzureichend bekannten Phyllomanganat Buserit. Bei einer chemischen Analyse zeigte sich jedoch, dass es Calcium an Stelle von Natrium enthielt und hier offenbar ein neues Mineral vorlag. Die weitere Untersuchung erwies sich auf Grund der schlechten Kristallinität und des variablen Wassergehaltes als sehr problematisch. Außerdem zeigte sich, dass sich das Mineral bei Lagerung an der Luft durch Verlust von Kristallwasser langsam in Ranciéit umwandelt. Es muss feucht oder unter Wasser aufbewahrt werden um die Umwandlung zu verhindern.
Wenig später konnte das Mineral durch Thomas WITZKE auch in der Grube Christbescherung, Großvoigtsberg bei Freiberg, Sachsen, gefunden werden. In den folgenden Jahren gelangen weitere Funde in der Grube Himmelfahrt, Freiberg sowie in Eisern bei Siegen, Siegerland, Nordrhein-Westfalen. Die damals zur Verfügung stehenden Analysentechniken erlaubten jedoch keine komplette Beschreibung des Minerals.

Neue Untersuchungen erlaubten schließlich die Charakterisierung des Materials als ein eigenständiges Mineral durch Thomas WITZKE, Herbert PÖLLMANN, José Eduardo F.C. GARDOLINSKI & Marco SOMMARIVA (2017) unter dem Namen Lagalyit. Typlokalitäten sind die Grube Christbescherung bei Großvoigtsberg und die Grube Aufgeklärt Glück bei Hasserode.
Das Mineral bildet silbergraue, etwas violettgraue, grauschwarze bis schwarze Krusten, Überzüge und stalaktitische Aggregate, die aus winzigen 1 - 30 μm großen, blättchenförmigen Kristallen aufgebaut werden. Der Strich ist grau bis schwarz, der Glanz erdig bis etwas metallisch. Die Mohs-Härte liegt bei 1. Eine Spaltbarkeit ist auf Grund der geringen Kristallgröße nicht festzustellen. Das Mineral lässt sich nur schlecht pulverisieren, es verschmiert schon bei leichtem Druck.


       Analysen

Frisch gefundenes oder feucht aufbewahrtes Material liefert ein Röntgendiagramm mit nur wenigen und recht breiten Peaks. Charakteristisch ist der stärkste Peak bei 10 Å. Nach den Daten lässt sich das Mineral als eine Schichtstruktur, ein sogenanntes 10 Å-Phyllomanganat, charakterisieren. Durch den Wasserverlust sinkt der Schichtabstand auf 7 Å ohne Zwischenstufen. Es handelt sich hier um zwei definierte Phasen, es gibt keinen kontinuierlichen Übergang bei der Entwässerung.
Aus den Röntgenpulverdaten konnte eine monokline Zelle mit den Parametern a = 5,146, b = 2,81, c = 9,98 Å, β = 94,2° und V = 143,9 Å3 bei Z = 2 berechnet werden. Das Mineral weist eine starke Fehlordnung bei der Stapelung der Schichten auf. Für das synthetische Material geben KUMA et al. (1994) a = 5,149, b = 2,828, c = 10,008 Å und β = 93,96° an.

Für die chemische Analyse wurde Material von der Grube Christbescherung verwendet. Eine Hälfte der Probe wurde an der Luft über lange Zeit getrocknet bis sich ein stabiler Gehalt an Zwischenschichtwasser eingestellt hatte. Das Material bestand nun überwiegend aus der 7 Å-Phase (entspricht Ranciéit) und untergeordnet der 10 Å-Phase. Es wurde mittels Röntgenfluoreszenz- und Thermoanalyse untersucht. Die zweite, feucht aufbewahrte Hälfte der Probe wurde vorsichtig für kurze Zeit an der Luft getrocknet. Eine Röntgenanalyse zeigte, dass hier die 10 Å-Phase vorlag. Sofort anschließend wurde eine Thermoanalyse durchgeführt, um den Wassergehalt der voll hydratisierten Phase zu ermitteln. Die chemische Analyse konnte so aus der Differenz der beiden Thermoanalysen auf das voll hydratisierte Mineral umgerechnet werden. Für das Typmaterial von Hasserode ergab sich so eine empirische Formel (Ca0.10Mg0.02)Mn4+0.94O2·2.06H2O. Aus weiteren Untersuchungen an synthetischem und natürlichem Material lässt sich eine allgemeine Formel Ca2xMn4+1-xO2·1,5-2 H2O angeben.

Für eine Strukturanalyse lagen keine geeigneten Einkristalle vor. Es musste deshalb auf Röntgenpulverdaten zurück gegriffen werden. Um eine möglichst texturarme Probe zu erhalten, wurde das Material in einer Glaskapillare präpariert. Dazu wurde Material des zweiten, nur kurz getrockneten Teils der Probe verwendet. Da sich Lagalyit nicht im Mörser zu Pulver verarbeiten lässt sondern verschmiert, musste das Pulver sehr vorsichtig durch Schaben mit einem Skalpell aus der Probe gewonnen werden.
Ein Strukturmodell für den monoklinen Lagalyit wurde aus der Struktur von einem trigonalen Ranciéit (POST et al., 2008) abgeleitet. Danach liegen Schichten aus MnO6-Oktaedern vor. Einige Mn-Positionen sind jedoch unbesetzt. Dadurch entsteht eine negative Schichtladung, die durch Calcium-Kationen in der Zwischenschicht kompensiert wird. Das Calcium sitzt in der Zwischenschicht zu beiden Seiten der Leerstellen der Oktaederschicht. Zusätzlich sind in der Zwischenschicht zwei Lagen Wasser vorhanden, während beim Ranciéit nur eine Lage auftritt. Durch die starke Fehlordnung war das Röntgenpulverdiagramm auch nicht für eine Verfeinerung eines Strukturmodells mittels der Rietveld-Methode geeignet. Das Strukturmodell wurde mit Hilfe der sogenannten PDF-Analyse (Pair-Distribution Function) überprüft. Dabei zeigte sich eine gute Übereinstimmung zwischen den gemessenen und den aus dem Modell berechneten Daten.




Grauer Lagalyit, lufttrocken, zum Teil zu Ranciéit dehydriert. Grube Christbescherung, Großvoigtsberg bei Freiberg, Erzgebirge, Sachsen. Größe der Stufe 6 x 3,5 cm. Sammlung und Foto Thomas Witzke.



       Lagalyit und Buserit

Verwandte Minerale zu Lagalyit sind Ranciéit, Birnessit, Takanelit uind Buserit. Diese Phyllomanganate lassen sich nach dem Schichtabstand und dem dominierenden Kation in der Zwischenschicht einteilen:

    Zwischenschichtkation   
  Ca2+   
  Zwischenschichtkation   
  Na+   
  Zwischenschichtkation   
  Mn2+   
  7 Å Phyllomanganat      Ranciéit   Birnessit   Takanelit
  10 Å Phyllomanganat      Lagalyit   Buserit    


Synthetisch sind zahlreiche weitere Verbindungen aus dieser Gruppe hergestellt worden. Buserit, das andere natürlich bekannte 10 Å-Phyllomanganat, ist nur sehr unzureichend bekannt. Der Name Buserit wurde von GIOVANOLI et al. (1970, 1971 und 1975) für eine Komponente aus marinen Manganknollen vorgeschlagen. Das Material wurde erst als "10 Å manganite", dann als "10 Å manganate" bezeichnet und soll die Zusammensetzung Na4Mn14O27·21H2O mit vier- und zweiwertigem Mangan aufweisen. Das Mineral wurde von der IMA unter der Nummer 1970-024 anerkannt (BURNS et al., 1983; PASERO, 2017), jedoch erschien keine wirkliche Beschreibung des Minerals und es fehlt auch in den meisten Zusammenstellungen. Es gibt in der Literatur und im Internet eine Debatte, ob Buserit wirklich anerkannt wurde. Verschiedene Autoren sind der Meinung, dass keine Anerkennung vorliegt (z.B. BILINSKI et al., 2002).
JEFFRIES & STUMM (1976) fanden für synthetischen Buserit eine durchschnittliche Wertigkeit für das Mangan von 3,2 - 3,8 und ein molares Verhältnis von Na : Mn von 0,26 - 0,34, jedoch ist hier auch etwas adsorbiertes Na mit enthalten. DRITS et al. (1998) geben Na0.30(Mn4+0.69Mn3+0.31)O2·nH2O als Formel für synthetischen Buserit an. Für natürliches Material liegen bisher keine Daten vor.
Lagalyit ist sehr eng verwandt mit Buserit, aber wahrscheinlich nicht exakt das Ca-Analogon von diesem. Lagalyit weist Mn4+ in der MnO6-Oktaeder-Schicht auf. Die negative Schichtladung wird dadurch erreicht, dass nicht alle Mn-Positionen besetzt sind. Beim Buserit sind dagegen wahrscheinlich alle Positionen besetzt, dafür wird aber die negative Schichtladung durch den Einbau von Mn3+ an Stelle von Mn4+ erreicht (DRITS et al., 1998). Es fehlen jedoch Daten von natürlichem Buserit.

Lagalyit ist das höher hydratisierte Analogon von Ranciéit. Für den Ranciéit finden sich in der Literatur verschiedene Formeln. Häufig wird als ideale Formel (Ca,Mn2+)Mn4+4O9·3H2O angegeben, umgerechnet auf O = 2 ergibt sich (Ca,Mn2+)0.22Mn4+0.89O2·0.67H2O. Analysen verschiedener Ranciéite zeigen jedoch eine Variabilität im Verhältnis zwei- zu vierwertiger Kationen, der Gehalt an zweiwertigen Kationen (Ca und Mn2+) kann auch deutlich kleiner als in der angegebenen idealen Formel sein. In der offiziellen Liste der IMA findet sich die Formel (Ca,Mn2+)0.2(Mn4+,Mn3+)O2·0.6H2O (PASERO, 2021). POST et al. (2008) bestimmten für einen Ranciéit die Zusammensetzung (Ca,K)0.20Mn4+0.91O2·0.63H2O.


       Vorkommen von Lagalyit

Typlokalitäten sind die Grube Christbescherung, Großvoigtsberg bei Freiberg, Sachsen sowie die Grube Aufgeklärt Glück, Hasserode, Harz, Sachsen-Anhalt. Material von beiden Fundstellen wurde zur Charakterisierung des Minerals verwendet. Das Typmaterial befindet sich in der Mineralogischen Sammlung der TU Bergakademie Freiberg, Inv.-Nr. MiSa 84104 (Christbescherung) und MiSa 84105 (Aufgeklärt Glück).

Die Grube Christbescherung ist ein altes Silberbergwerk im Freiberger Revier. Nach einer ersten Bergbauperiode im 17. Jahrhundert war die Grube von 1718 bis 1908 mit einigen Unterbrechungen in Betrieb. Lagalyit fand sich hier an den Stößen einer Strecke als Ausfällungsprodukt aus Mangan-führenden Wässern. Das Mangan stammt wahrscheinlich aus dem Zersatz von Mangan-haltigen Carbonaten aus den hydrothermalen Gängen.

Lagalyit tritt offenbar relativ verbreitet auf. Bereits erwähnt wurden die Vorkommen in der Grube Himmelfahrt, Freiberg sowie in Eisern bei Siegen, Siegerland, Nordrhein-Westfalen. In der Literatur finden sich ebenfalls Beschreibungen von Material, dass dem Lagalyit oder innigen Gemengen Lagalyit/Ranciéit entspricht. Zu nennen sind hier die Dongnam Mine, Südkorea (KIM & CHANG, 1989), Yuno-Taki Falls, Hokkaido, Japan (BILINSKI et al., 2002), Olsa bei Friesach, Kärnten, Österreich (ERTL et al., 2005) sowie Cornaux/Neuchâtel, Passwang/Solothurn, Falotta/Graubünden und Holderbank/Aargau, Schweiz (GRAESER & ANDERMATT, 2010). Eine ausreichende Charakteriserung des Minerals war von diesen Fundstellen jedoch nicht möglich.




Grauer Lagalyit an einem Stoß in der Grube Christbescherung, Großvoigtsberg bei Freiberg, Erzgebirge, Sachsen. Bildhöhe an der linken Seite etwa 30 cm. Foto Thomas Witzke



       Die Benennung des Minerals

Das Mineral wurde nach dem Chemiker und Tonmineralogen Gerhard LAGALY (geb. 1938) benannt. Er arbeitete von 1974 - 2004 als Professor für Anorganische Chemie an der Christian-Albrechts-Universität Kiel als einer der Herausgeber der Zeitschriften Clay Minerals und Applied Clay Science.
Sowohl das Mineral als auch der Name wurden von der Commission on New Minerals, Mineral Nomenclature and Classification der IMA anerkannt (IMA 2016-106). Die Typexemplare befinden sich in der Mineralogischen Sammlung der TU Bergakademie Freiberg.



Chemische Analyse von Lagalyit (in Masse-%)

    Lagalyit,
  Grube Christbescherung,   
  Großvoigtsberg
  (WITZKE et al.)     
  Lagalyit,
  theoretische
  Zusammensetzung     
  MnO2   65.00   65.67
  Na2O     0.08  
  K2O     0.20  
  MgO     0.52  
  CaO     4.23     5.41
  NiO     0.11  
  SrO     0.01  
  BaO     0.08  
  PbO     0.01  
  Al2O3     0.12  
  Fe2O3     0.16  
  SiO2     0.18  
  TiO2     0.01  
  V2O5     0.00  
  H2O   29.30   28.93
  Summe      100.01 100.01



Literatur:
BILINSKI, H.; GIOVANOLI, R.; USUI, A. & HANZEL, D. (2002): Characterization of Mn oxides in cemented streambed crusts from Pinal Creek, Arizona, U.S.A., and in hot-spring deposits from Yuno-Taki Falls, Hokkaido, Japan.- American Mineralogist 87, 580-591

BURNS, R.G.; BURNS, V.M. & STOCKMAN, H.W. (1983): A review of the todorokite-buserite problem: implications to the mineralogy of marine manganese nodules.- American Mineralogist 68, 972-980

DRITS, V.A.; LANSON, B.; GORSHKOV, A.I. & MANCEAU, A. (1998): Substructure and superstructure of four-layer Ca-exchanged birnessite.- American Mineralogist 83, 97-118

ERTL, A.; PERTLIK, F.; PREM, M.; POST, J.E.; KIM, S.J.; BRANDSTÄTTER, F. & SCHUSTER, R. (2005): Ranciéite crystals from Friesach, Carinthia, Austria.- European Journal of Mineralogy 17, 163-172

GIOVANOLI, R.; STAHLI, E. & FEITKNECHT, W. (1970): Über Oxidhydroxide des vierwertigen Mangans mit Schichtengitter. 1. Mitteilung: Natrium-Mangan (II,III) Manganat (IV).- Helvitica Chimica Acta 53, 209-220

GIOVANOLI, R.; FEITKNECHT, W. & FISCHER, F. (1971): Über Oxidhydroxide des vierwertigen Mangans mit Schichtengitter. 3. Mitteilung: Reduktion von Mangan (Ill)-manganat (IV) mit Zimtalkohol.- Helvitica Chimica Acta 54, 1112-1124

GIOVANOLI, R.; BÜRKI, P.; GIUFFREDI, S. & STUMM, W. (1975): Layer structured manganese oxide hydroxides. IV. The buserite groups; structure stabilization of transition elements.- Chimia 29, 517-520

GRAESER, S. & ANDERMATT, P. (2010): Calcium-Mangan-Oxid - ein mineralogisches Rätsel.- Schweizer Strahler 2/2010, 1-11

JEFFRIES, D.S. & STUMM, W. (1976): The metal absorption chemistry of buserite.- Canadian Mineralogist 14, 16-22

KIM, S.J. & CHANG, S. (1989): Buserite and its relationship to rancieite in Dongnam Mine, Korea.- J. Miner. Soc. Korea 2, 1-7

KUMA, K.; USUI, A.; PAPLAWSKY, W.; GEDULIN, B. & ARRHENIUS, G. (1994): Crystal structures of synthetic 7 Å and 10 Å manganates substituted by mono- and divalent cations.- Mineralogical Magazine 58, 425-447

PASERO, M. (Editor) (2021) The New IMA List of Minerals. http://cnmnc.main.jp/ (Januar 2021)

POST, J.E.; HEANEY, P.J. & ERTL, A. (2008): Rietveld refinement of the ranciéite structure using synchrotron powder diffraction data.- Powder Diffraction 23, 10-14

WITZKE, T.; PÖLLMANN, H.; GARDOLINSKI, J.E.F.C. & SOMMARIVA, M. (2017): Lagalyite, IMA 2016-106. CNMNC Newsletter 36 (4), 406, Mineralogical Magazine 81, 403-409




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