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Prosopit


Formel: CaAl2(F,OH)8, monoklin

Typlokalität: Altenberg, Erzgebirge, Sachsen

Erstbeschreibung:
SCHEERER, T. (1853): Ueber Pseudomorphosen, nebst Beiträgen zur Charakteristik einiger Arten derselben.- Poggendorffs Annalen der Physik und Chemie 90, 315-323




Prosopit. Altenberg, Erzgebirge, Sachsen. Größe des Kristalls 5 mm. Sammlung und Foto Thomas Witzke.



           Erste Beschreibungen als Speckstein

1799 erwähnt Johann Friedrich Wilhelm von CHARPENTIER in seinen Beobachtungen über die Lagerstätten der Erze "Speckstein, den ich in regelmässigen Krystallen im Eisenglanz gefunden habe" aus dem Zinnbergwerk in Altenberg in Sachsen. Auch August BREITHAUPT hält 1815 dieses Material für Kristalle von Speckstein, also für Talk:
"Diese Krystalle sind auf gemeinem Quarz aufgesezt, und von bunt angelaufenem blättrigen Eisenglanze, von strahlförmigen stänglichen abgesonderten Stükken, überdekt. Diese Speksteinkristalle sind die schönsten, die ich je gesehen habe, meist von mittlerer Gröse und klein. Der Spekstein selbst ist ausgezeichnet, und stark an den Kanten durchscheinend. Das Innere desselben zeigt wieder einige Merkwürdigkeiten; denn bei den meisten sizt innen ein weisses durchsichtiges Fossil von blättriger Textur, aus welchem der Spekstein metamorphosirt ist. [...] Ich war noch nicht so glükklich, die Natur jener blättrigen Substanz genau zu erkennen, ich mus deshalb noch ausgezeichnete Stükke davon erwarten. Die Kristallisazion selbst aber ist mir so fremd bei einem weissen späthigen Fossil, dass die primitive Substanz, selbst nach der Meinung anderer, vor der Hand sehr problematisch bleiben mus; ob sie schon dem Schwerspathe nicht ganz entgegen scheint".
1852 beschreibt BREITHAUPT dieses Material schließlich als Pseudomorphosen von "Speckstein nach Schwerspath".


           Prosopit, ein neues Mineral

Bei Untersuchungen zu Pseudomorphosen beschäftigte sich Theodor SCHEERER 1853 auch mit den Kristallen von Altenberg. Schöne Exemplare fanden sich in der von Werner nachgelassenen Mineraliensammlung und der methodischen Sammlung der Freiberger Bergakademie, ein weiteres stand Scheerer aus der Sammlung seines verstorbenen Schwiegervaters Johann Carl Freiesleben zur Verfügung. Nach intensiven Vermessungen der Kristalle kommt Scheerer zu dem Ergebnis, dass hier kein Schwerspat, sondern ein neues, bisher nicht bekanntes Mineral vorliegt:
"Zu einer genaueren Untersuchung dieser Krystalle durch meine Arbeiten über Talke, Specksteine u.s.w. veranlasst, fand ich nach sorgfältiger Prüfung einer grösseren Anzahl derselben, dass ihre Form, wiewohl in einigen Elementen der Schwerspathform sehr nahe stehend, dennoch im Ganzen von letzterer specifisch verschieden ist."
Aus den Messungen vermutet SCHEERER rhombische Symmetrie. Das Achsenverhältnis vergleicht er mit dem vom Baryt:
"bei unserem Mineral a : b : c = 0,619 : 1 : 0,619
beim Schwerspath a : b : c = 0,762 : 1 : 0,621"
Um das ursprüngliche Mineral zu identifizieren, besorgte SCHEERER sich frische Kristalle:
"In diesem Zustande ist es völlig farblos und durchsichtig, glasglänzend und von einer Härte zwischen Apatit und Flussspath. Letzteren ritzt es sehr deutlich. Es besitzt zwei Blätterdurchgänge [= Spaltrichtungen – T.W.]; doch liess sich über die Richtung derselben in Bezug auf die Krystallflächen mit hinreichender Genauigkeit nichts entscheiden [...]. Bei der qualitativen chemischen Untersuchung ergaben sich als Hauptbestandtheile: Flusssäure, Thonerde, Kalkerde und Wasser. In sehr geringen Mengen und Spuren, wohl grösstentheils nur als zufällige Beimischung, traten ausserdem noch auf: Kieselerde, Schwefelsäure, Eisenoxyd, Talkerde und Manganoxydul. [...] Zu einer genauen quantitativen Bestimmung der Bestandtheile desselben war nicht hinreichendes Material vorhanden. Durch die angegebenen Eigenschaften ist das Mineral als eine neue Species charakterisirt, welche hinsichtlich ihrer chemischen Constitution dem Kryolith und Chiolith am nächsten steht. Indem ich die Benennung Prosopit (von πρόςωπον, die Maske) für dasselbe in Vorschlag bringe, nehme ich hierbei Bezug auf die Täuschung, in welche die Mineralogen durch sein maskirtes Auftreten versetzt worden sind. Diese Täuschung erstreckt sich aber, wie wir sogleich sehen werden, noch weiter; nicht einmal die pseudomorphe Maske des Minerals besteht aus dem Stoffe - Speckstein, - aus welchem sie zu bestehen scheint ? [...] So ist denn aus der Pseudomorphose von » Speckstein nach Schwerspath « eine Pseudomorphose von » Kaolin nach Fluoraluminium-Calcium « geworden. [...]
Schliesslich komme ich noch einmal auf die Krystallform des Prosopit zurück. Die Aehnlichkeit, welche dieselbe – bei aller Eigenthümlichkeit – mit der des Schwerspaths besitzt, lässt auch eine gewisse Analogie in der chemischen Constitution beider Mineralien vermuthen. In dieser Beziehung dürfte es Berücksichtigung verdienen, dass eine Verbindung
           
eine ähnliche Gruppirung ihrer Elemente besitzt wie
           
welches auch ausgedrückt werden kann durch
           
Inzwischen bedarf es noch einer genaueren quantitativen Analyse des Prosopit, um das Verhältnis seiner Bestandtheile mit Sicherheit festzustellen".
Überträgt man SCHEERERs Formel in die heutige Schreibweise (die Querstriche beim Al und F stehen für eine Verdoppelung, die Punkte über dem Ca und S für Sauerstoff), so erhält man CaAl2F8. Abgesehen von einem teilweisen Ersatz von F durch OH entspricht SCHEERERs Vermutung der heute gültigen Formel für Prosopit, wenn auch die Vermutung auf einer falschen Grundlage und unvollständigen chemischen Analyse beruhte.




Zeichnung eines Prosopit-Kristalls, aus SCHEERER (1853).


           Weitere Untersuchungen an dem Mineral

James Dwight DANA vermutet 1854 nach den Kristallvermessungen Scheerers, dass es sich um Pseudomorphosen nach Datolit handelt. Er fragt sich, ob das Fluor nur durch einen Alterationsprozess eingetragen worden ist, und es sich bei dem frischen Mineral lediglich um Datolit handeln könnte.

SCHEERER widerspricht dem in einer kurz darauf 1855 erschienenen Arbeit. Er vergleicht die Formen von Baryt, Herderit, Datolit und Prosopit und stellt hier Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede fest. SCHEERER schreibt zu der von DANA geäußerten Vermutung:
"Dies muss ich, in Hinblick auf die Zugrunde liegenden Thatsachen, verneinen. Selbst wenn man davon absehen wollte, dass die Umstände keineswegs zur Annahme einer solchen zwiefachen Pseudomorphose (Prosopit nach Datolith, und Kaolin nach Prosopit) drängen [...]; und wenn man es unbeachtet lassen könnte, dass es schwer ist, einen chemischen Process ausfindig zu machen, welcher auf Quarzit aufgewachsene Krystalle von Datolith (kiesel- und borsaure Kalkerde) vollständig in Fluor-Aluminium-Calcium umzuwandeln vermag, ohne dabei den Quarzit entsprechend zu verändern: so tragen doch die frisch angetroffenen Prosopitkrystalle welche vollkommen glasglänzend und durchsichtig sind, kein erkennbares Merkmal eines solchen pseudomorphisirenden Processes an sich."
Für die Zusammensetzung von Prosopit gibt Scheerer die Formeln (angepasst an die heutige Schreibweise) CaF2 • Al2F6 • x H2O oder vielleicht n(CaAl2F8) • (H2O)Al2F6 an.

In einer späteren Arbeit geht SCHEERER (1857) sehr ausführlich auf Kristallvermessungen ein und findet, dass Prosopit "hemirhombisch", d.h. monoklin ist. Außerdem schreibt er zur Charakterisierung des Minerals:
"Der Prosopit ist im reinen Zustande vollkommen farblos und durchsichtig (wasserhell); doch kommt er auch, was vielleicht zum Theil von einer begonnenen Zersetzung herrührt, weiss und durchscheinend vor. [...] Der Bruch des Prosopit ist uneben, zum Theil muschelig. Die Härte desselben ist zwischen Apatit und Flussspath. Sein specifisches Gewicht wurde bei zwei Versuchen zwischen 2,890 und 2,898, im Mittel also = 2,894, gefunden. "
Bei der quantitativen chemischen Analyse findet er einige Prozent "Fluorkiesel" (= SiF4) und stellt darauf hin eine außerordentlich komplizierte Formel für den Prosopit auf. Ein direkter Nachweis für das "Fluorkiesel" gelang SCHEERER allerdings nicht.


           Eine neue, einfache Formel

Die Unsicherheit insichtlich der chemischen Zusammensetzung des Prosopits veranlassten Paul GROTH (1883) zu einer erneuten Untersuchung. Für die Analyse, die Herr BRANDL durchführte, wurden wasserhelle, unzersetzte Kristalle ausgesucht. Silizium konnte in dem Material nicht nachgewiesen werden. GROTH schreibt weiter:
"Da der Prosopit bei 260° noch keinen Gewichtsverlust erlitt, so kann das Wasser in demselben nicht als Krystallwasser vorhanden sein, und da ferner Sauerstoff und Wasser annähernd in dem Verhältnis 1 : 1 vorhanden sind, so ist die Summe beider als Hydroxyl in Rechnung zu stellen. [...] Bekanntlich ist eine isomorphe Vertretung von Fluor und Hydroxyl bereits in verschiedenen Verbindungen nachgewiesen worden; dass dieselbe auch hier statthat, beweist der Umstand, dass nur die Summe beider Bestandtheile in so einem einfachen Verhältnisse zu den Metallen steht. Der Prosopit ist somit
       CaAl2(F,HO)8,
in welchem eine kleine Menge Ca durch Mg und Na2 ersetzt wird."
Nach der Vermessung der Kristalle kommt GROTH zu dem Ergebnis, dass monokline Symmetrie vorliegt, will aber für eine definitive Aussage das Vorliegen besser ausgebildeter Kristalle abwarten. Als Achsenabschnittsverhältnis gibt er a : b : c = 1,318 : 1 : 0,5912 und β = 86° 2' an.

Die Ergebnisse einer Strukturanalyse an Prosopit wurde von PUDOVKINA & PYATENKO 1970 publiziert. Die Autoren bestätigten die monokline Symmetrie und fanden die Raumgruppe C2/c. Die Gitterparameter betragen a = 6.76, b = 11.12, c = 7.32 Å und β = 95.0°. Diese Werte lassen sich gut mit den Daten von GROTH vergleichen, wenn man dessen Wert für a halbiert und a und c vertauscht. Eine Arbeit mit verfeinerten Strukturdaten wurde von PUDOVKINA et al. 1973 veröffentlicht. Die Gitterparameter blieben unverändert, aber die Atomkoordinaten wurden verbessert.



Chemische Analyse von Prosopit (in Masse-%)

    Komponenten,
nach SCHEERER,
1853 und 1857  
Prosopit,
Altenberg
(SCHEERER, 1853)  
Prosopit,
Altenberg
(SCHEERER, 1857)  
Prosopit,
theoretische
Zusammensetzung 1)   
CaF2  Fluorcalcium  32.5  31.87  32.80
Al2O3  Thonerde    42.68  42.83
SiF4  Fluorkiesel      8.96  
Fe2O3  Eisenoxyd      Spur  
MnO  Manganoxydul      0.31  
MgO  Magnesia      0.25  
H2O  Wasser    15.50  15.12
F        15.96
- O = F        - 6.72
Summe          99.57  99.99

1) für F : OH = 1 : 1



    Prosopit,
Altenberg
(GROTH, 1883)  
Prosopit,
theoretische
Zusammensetzung 1)   
F   35.01   31.91
Al   23.37   22.67
Ca   16.19   16.84
Mg     0.11  
Na     0.11  
H2O   12.41   15.13
O   12.58 2)   13.45
Summe     100.00 100.00

1) für F : OH = 1 : 1
2) Differenz zu 100


Literatur:
BREITHAUPT, A. (1815): Uiber die Aechtheit der Kristalle.- Freiberg, bei Craz und Gerlach, 63 p. (p. 29-31)

BREITHAUPT, A. (1852): Pseudomorphosen.- Berg- und Hüttenmännische Zeitung mit besonderer Berücksichtigung der Mineralogie und Geologie 11 (Neue Folge 6), 188-193

CHARPENTIER, J.F.W. VON (1799): Beobachtungen über die Lagerstätten der Erze Hauptsächlich aus den sächsischen Gebirgen.- Leipzig, bei Georg Joachim Göschen, 206 p. (p. 32)

DANA, J.D. (1854): A System of mineralogy, comprising the most recent discoveries, Vol II.- New York and London, published by George P. Putnam, 4th edition, 533 p. (p. 502)

GROTH, P. (1883): Beiträge zur Kenntnis der natürlichen Fluorverbindungen. Anhang 3. Prosopit.- Zeitschrift für Krystallographie und Mineralogie 7, 455-493 (speziell 487-493)

PUDOVKINA, Z.V. & PYATENKO, Y.A. (1970): About the structure of the prosopite, Ca[Al2F4(OH)4], and about some features of the fluoroaluminate crystal chemistry.- Doklady Akademii Nauk SSSR 190 (1970) 665-667

PUDOVKINA, Z.V., CHERNITSOVA, N.M. & PYATENKO, Y.A. (1970): Refinement of the crystalline structure of prosopite CaAl2F4(OH)4.- Journal of Structural Chemistry 14, 345-347

SCHEERER, T. (1853): Ueber Pseudomorphosen, nebst Beiträgen zur Charakteristik einiger Arten derselben.- Poggendorffs Annalen der Physik und Chemie 90, 315-323

SCHEERER, T. (1854): Ueber eine Beobachtung Dana's in Betreff des Prosopit.- Journal für praktische Chemie 63, 450-455

SCHEERER, T. (1857): Mineralogische Charakteristik des Prosopit.- Poggendorffs Annalen der Physik und Chemie 101, 361-386




© Thomas Witzke / Stollentroll

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