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Pucherit


Formel: Bi(VO4)

Typlokalität: Alexander Spat, Pucher Richtschacht, Schneeberg, Erzgebirge, Sachsen

Erstbeschreibung:
FRENZEL, A. (1871): Mineralogisches. 1. Pucherit.- Journal für praktische Chemie 4, 227-231




Pucherit-Kristall. Pucherschacht, Schneeberg, Erzgebirge, Sachsen. Bildbreite 1 mm. Sammlung und Foto Thomas Witzke.



           Ein neues Mineral vom Pucherschacht in Schneeberg

Im Jahr 1871 erhielt Prof. Albin WEISBACH von der Bergakademie Freiberg Probenmaterial mit kleinen Kriställchen vom Pucherschacht in Schneeberg, welche er für Atelestit oder etwas Neues hielt. WEISBACH überließ die Untersuchung des Materials jedoch August FRENZEL (1871 a), der als Chemiker im Freiberger Labor für Hüttentechnik arbeitete und es nach eingehender Untersuchung als ein neues Mineral beschreiben konnte:
"Das Mineral kam als Kieselwismuth (Eulytin) nach Freiberg und erscheint auch dem Aeusseren nach, abgesehen von der Krystallisation dem Eulytin täuschend ähnlich. Die sehr kleinen Krystalle, zum grösseren Theile nur unter der Lupe deutlich erkennbar, gehören jedoch dem rhombischen System an, und erinnert der Habitus derselben an die Krystalle des Euchroit. [...] Die Krystalle, mitunter krummflächig, wenn auch bei Weitem nicht in dem Maasse, als es bei Eulytin der Fall ist, sind säulenförmig durch Vorherrschen des Prisma oder tafelartig durch Vorherrschen der Basis. [...]
Das Mineral wurde bis jetzt nur krystallisirt gefunden. Es spaltet vollkommen nach der Basis, zeigt Glas- bis Diamantglanz, röthlichbraune bis bräunlichrothe Farbe und gelbes Strichpulver; undurchsichtig bis durchscheinend; Spec. Gewicht 5,91, doch ist dasselbe etwas zu niedrig, da die Analysen einen Quarzgehalt ergaben; dieser Quarz sitzt in winzigen Bröckchen auf den Pucheritkryställchen und lässt sich mechanisch schlechterdings nicht entfernen. Ebenso schwierig ist mit Genauigkeit der Härtegrad an so kleinen Krystallen zu bestimmen; Kalkspath wird noch leicht geritzt, während Flussspath und Pucherit sich gegenseitig nicht ritzen; es dürfte daher wohl Flussspathhärte anzunehmen sein."


           Die chemische Analyse des Minerals

Eine erste Analyse mit dem Lötrohr wurde auf Wunsch von WEISBACH von Prof. RICHTER durchgeführt, der das Mineral nach Untersuchung einer sehr geringen Menge völlig zutreffend als "vanadinsaures Wismuthoxyd" erkannte. August FRENZEL durchsuchte mehrere Kübel mit Wismutocker vom Pucherschacht vor Ort und konnte daraus nach Aufarbeitung der Pucherit-führenden Stücke ein Gramm Material für die quantitativen Analysen gewinnen. Er fand die Zusammensetzung "Bi2O3.VO3". In Spuren konnten Arsen und Eisen festgestellt werden.
Noch im gleichen Jahr veröffentlicht FRENZEL (1871 b) eine etwas andere Zusammensetzung von Pucherit, die auf dem neu bestimmten Atomgewicht des Vanadiums beruht. Danach handelt es sich bei der für VO3 gehaltenen Komponente um V2O5. Die Zusammensetzung entspricht damit der heute gültigen.

Synthetischen Pucherit in winzigen, dicktafeligen Kristallen konnte August FRENZEL (1875) erhalten, in dem er eine Lösung aus Bismutnitrat und Vanadiumchlorid über Schwefelsäure auskristallisieren ließ.





Braune Kristalle von Pucherit. Pucherschacht, Schneeberg, Erzgebirge, Sachsen. Bildbreite 5 mm. Sammlung und Foto Thomas Witzke.



           Die Typlokalität von Pucherit

Zu dem Fundort des neuen Minerals schreibt FRENZEL (1871 a):
"Der Pucherit erhielt seinen Namen nach dem Fundort, dem Pucher-Richtschacht im Felde der Grube Wolfgang Maassen gelegen, auf Wunsch des betreffenden Betriebsbeamten, Herrn Schichtmeister Graff, dem ich für die mir zu Theil gewordene freundliche Unterstützung hiermit meinen besten Dank ausspreche. Die Puchergrube ist eine sehr alte, denn der Berggeschworne Stecher erwähnt in seinem "Bericht vom Schneeberger Bergbau" um das Jahr 1700, dass man auf dem Pucher-Zuge Wismuthmetall und Wismutharten (Wismuthocker) gebrochen habe. Im Jahre 1868 suchte man, in Folge der hohen Wismuthpreise, die alte Grube wieder auf und ging mit einer neuen Richtschachtanlage, dem Pucher-Richtschacht, behufts Anfahrung des Alexander Spates nieder, nachdem man zuvor die alte Halde gänzlich ausgekuttet und aus derselben noch 54,1 Ctr. Wismuthmetall gewonnen hatte. Der jetzt im Abbau befindliche Alexander Spat führt Wismuthockertrümer von 1/8 bis 12 Zoll compacter Mächtigkeit und namentlich an drusigen Stellen dieses Ganges kommt zur Zeit, auf Klüften des Wismuthockers oder des Nebengesteins (Glimmerschiefer), das in Rede stehende neue Mineral vor."
Der Abbau im Bereich des Pucherschachtes dauerte bis 1882. Die Halde des Pucherschachtes ist heute als technisches Denkmal ausgeschildert.


           Kristallografische Untersuchungen

Nach Kristallvermessungen fand M. WEBSKY 1872 für den Pucherit orthorhombische Symmetrie mit den Achsenabschnitten a : b : c = 1.16784 : 1.06540 : 1.
Bei röntgenografischen Untersuchungen an Pucherit von Schneeberg konnten W.F. DE JONG & J.J. DE LANGE (1936) die Gitterparameter a = 5.38, b = 5.04 und c = 11.98 Å ermitteln, was einem Verhältnis von a : b : c = 1.069 : 1 : 2.379 entspricht. Verdoppelt man WEBSKYs Wert für a und vertauscht die Achsen, ergibt sich eine gute Übereinstimmung. M.M. QURASHI & W.H. BARNES (1952 und 1953) führten eine Strukturanalyse an Pucherit von Schneeberg durch. Sie fanden die orthorhombische Raumgruppe Pnca. Auch für die Einkristall-Strukturverfeinerung von J. GRANZIN & D. POHL (1984) wurde Material von Schneeberg verwendet. Die Gitterparameter betragen a = 5.328, b = 5.052, c = 12.003 Å. Für Z = 4 ergibt sich eine berechnete Dichte von 6.69 g/cm3.





Orangebräunliche Pucherit-Kristalle. Grube Himmelfahrt, Johanngeorgenstadt, Sachsen, Deutschland. Bildbreite 5 mm. Sammlung und Foto Thomas Witzke.


           Weitere Fundorte des seltenen Minerals in Thüringen und Sachsen

Nur wenige Jahre nach FRENZEL Beschreibung teilt WEISBACH 1880 zwei weitere Fundorte für Pucherit mit:
"Von diesem Minerale kenne ich schon seit Jahren einen zweiten Fundort; es ist dies die Grube 'Arme Hilfe' zu Ullersreuth bei Hirschberg im reussischen Vogtlande, hier in kleinen dünntafeligen Krystallen auf ochrigem Brauneisenerz oder auf braunem Eisenkiesel aufsitzend. Begleiter sind: Wismutglanz, gediegen Wismut und Hypochlorit. Einen dritten Fundpunkt theilte mir in diesen Tagen Hr. Schichtmeister GRAFF in Neustädtel mit, die Grube 'Sosaer Glück' zu Sosa bei Eibenstock; die Unterlage der Kryställchen bilden auf dieser letzten Lagerstätte Wismutocher, gediegen Wismut und Quarz. Als Begleiter erscheint braunschwarzer Eulytin."
In jüngerer Zeit ist Pucherit auch in diamantglänzenden, orangebräunlichen, tafeligen Kristallen von der Grube Himmelfahrt bei Johanngeorgenstadt im Erzgebirge bekannt geworden.


           Pucherit, Clinobisvanit und Dreyerit

Polymorph mit Pucherit sind Clinobisvanit, monoklin, I2/a, isostrukturell mit Fergusonit-beta-(Ce), und Dreyerit, tetragonal, I44/amd. Beide Polymorphe sind deutlich seltener als Pucherit.
Beim Erhitzen wandelt sich Pucherit in tetragonales BiVO4 mit Scheelit-Struktur um, ohne dass es jedoch eine definierte Übergangstemperatur gibt. Beim Abkühlen bildet sich die monokline Polytype. Pucherit ist deshalb möglicherweise keine stabile Phase im System Bi2O3 - V2O5, sondern könnte durch geringe Gehalte an Fremdatomen stabilisiert werden (GRANZIN & POHL, 1984).

Aus Schneeberg sind inzwischen alle drei BiVO4-Polymorphe bekannt. BELENDORFF beschrieb Dreyerit von der Halde der Grube Güldener Falk in Neustädtel, Schneeberg. Auf einer Stufe aus Schneeberg konnte auch Clinobisvanit in kleinen, orangefarbenen Kristallen röntgenografisch nachgewiesen werden (WITZKE, nicht publiziert).





Brauner Pucherit-Kristall (links) mit braunem Clinobisvanit-Kristall (rechts). Ullersreuth, Thüringen, Deutschland. Bildbreite 1 mm. Sammlung und Foto Thomas Witzke.



Chemische Analyse von Pucherit

    Pucherit
  von Schneeberg
  (FRENZEL, 1871 a und b)   
  Pucherit,
  theoretische
  Zusammensetzung   
  Bi2O3   73.39   71.94
  V2O5   27.31 1)   28.06
  Summe      100.70 100.00

1) ursprünglich als VO3 angenommen (FRENZEL, 1871 a), später als V2O5 erkannt (FRENZEL, 1871 b)



Literatur:
BELENDORFF, K. (2009): Dreyerit und Rhabdophan-(Nd) aus Schneeberg, Erzgebirge.- Mineralien-Welt 20 (3), 27-29

DE JONG, W.F. & DE LANGE, J.J. (1936): X-ray study of pucherite.- American Mineralogist 21, 809

FRENZEL, A. (1871 a): Mineralogisches. 1. Pucherit.- Journal für praktische Chemie 4, 227-231

FRENZEL, A. (1871 b): Mineralogisches. 2. Lithiophorit. 3. Hypochlorit. Nachtrag zu Pucherit.- Journal für praktische Chemie 4, 353-362

FRENZEL, A. (1875): Mineralogisches. 7. Kupferglanz und Pucherit.- Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Palaeontologie, Jahrgang 1875, 680

GOLDSCHMIDT, V. (1920): Atlas der Krystallformen.- Heidelberg, Carl Winters Universitätsbuchhandlung, Band VI, Tafel 101

GRANZIN, J. & POHL, D. (1984): Refinement of pucherite, BiVO4.- Zeitschrift für Kristallographie 169, 289-294

QURASHI, M.M. & BARNES, W.H. (1952): A preliminary structure for pucherite, BiVO4.- American Mineralogist 37, 423-426

QURASHI, M.M. & BARNES, W.H. (1953): The structure of pucherite, BiVO4.- American Mineralogist 38, 489-500

WEBSKY, M. (1872): Ueber die Krystallform des Pucherit von Schneeberg.- Mineralogische Mittheilungen, Jahrgang 1872 (Beilage zum Jahrbuch der Kaiserlich-Königlichen Geologischen Reichsanstalt Wien 22), 245-252

WEISBACH, A. (1880): Mineralogische Notitzen I. 1. Hypargyrit. 2. Lepidophäit. 3. Konarit. 4. Uranotil. 5. Bismutit. 6. Pucherit. 7. Kakochlor (Lithiophorit). 8. Leucit.- Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Paläontologie, Bd. II, 109-114





Pucherit-Kristalle vom Pucher-Richtschacht, nach GOLDSCHMIDT (1920).




© Thomas Witzke / Stollentroll

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